Die Kultur der Ambiguität

Alle Kulturen müssen mit Ambiguität leben. Sie unterscheiden sich jedoch dadurch, wie sie damit umgehen. Zweideutigkeit wird hingenommen, ja mitunter wird sie bewußt erzeugt und nimmt wichtige kulturelle Funktionen ein, etwa in Konventionen der Höflichkeit und der Diplomatie, durch Riten oder Kunstwerke. Sie kann aber auch vermieden und bekämpft werden. Kulturen unterscheiden sich also durch ihre unterschiedliche Ambiguitätstoleranz. In islamischen Kulturen ist in dieser Hinsicht während der letzten Jahrhunderte ein Wandel zu beobachten, der sich so deutlich und mit solch drastischen Konsequenzen kaum anderswo zeigt: von einer relativ großen Toleranz hin zu einer bisweilen extremen Intoleranz gegenüber allen Phänomenen von Vieldeutigkeit und Pluralität. Während zum Beispiel im 14. Jahrhundert die Varianten des Korantexts und die Vielzahl an Auslegungsmöglichkeiten als Bereicherung galten, ist dies heute vielen Muslimen ein Ärgernis.

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