Die Moschee in Österreich. Vom Kellerraum zum sichtbaren Zeichen eines integrierten Islam?

Artikel 09.08.2016 Redaktionsteam

Dieser Beitrag behandelt das islamische Gebetshaus, die Moschee. Wir werfen einen Blick auf die historische Entwicklung sowie die Ausstattung der Moschee. Im Anschluss wenden wir uns der Präsenz von Moscheen in Österreich zu.


Die Moschee (von arabisch masǧid, "Ort der Niederwerfung") ist das Gebetshaus von Menschen islamischen Glaubens. Abgesehen von der religiösen hat die Moschee eine wichtige soziale Bedeutung. Sie ist seit jeher Versammlungs- und Gesprächsort sowie Ort des Lernens und bietet mithilfe unterschiedlicher Kurse wie Koranrezitation und Exegese, Deutschkursen, Schülernachhilfe, Kalligraphieworkshops etc. "Möglichkeiten zur spirituellen wie profanen Weiterbildung ihrer Gemeindemitglieder".1 Die Moscheeverantwortlichen leisten Ratsuchenden Hilfestellung bei Fragen des religiösen und alltäglichen Lebens. Auch Interessierte sowie öffentliche Institutionen können sich an die Verantwortlichen wenden.2

In Österreich bekennen sich etwa 6,8 % der Bevölkerung zum Islam.3 Trotzdem sind die Gebetshäuser dieser Bevölkerungsgruppe im öffentlichen Raum bis auf wenige Ausnahmen praktisch unsichtbar. Moscheen sind allenfalls in den Köpfen präsent, assoziiert mit Stichwörtern wie "Minarettstreit" oder "Abendland in Gefahr". Dieser Text begibt sich auf die Spurensuche nach der Moschee einst und heute und im Österreich von morgen.

Historisch betrachtet war die erste Moschee der teilweise mit Palmblättern gedeckte Hof beim Haus des Propheten Mohammed (gest. 632) in Medina. Dieser Hof war die Urform für die im Lauf der ersten Jahrhunderte entwickelte offene Hofmoschee. Mit der Ausdehnung des Islams wurden architektonische Anregungen wie Säule, Pfeiler, Kuppel und Kreuzgewölbe aus römischen und hellenistischen Anlagen, christlichen Kultbauten und persischen Palästen zu Neuem gestaltet. Mehrschiffige Gebetshallen mit Hufeisenbogen (im Westen) und Spitz- oder Kielbogen (im zentralen und östlichen Bereich) umschlossen einen geräumigen Hof.4 Neben der Hofmoschee entwickelte sich unter anderem die überkuppelte Moschee mit ihrem architektonischen Höhepunkt unter den Osmanen.5 Dieser Kuppelbau mit schlanken, bleistiftartigen Minaretten stellt für viele Europäer heute den Inbegriff einer typischen Moschee dar. Während der letzten 1400 Jahre hat sich die Moscheearchitektur formen- und erfindungsreich entwickelt6 und bildet in ihrer Vielfalt "einen gewichtigen Beitrag zur Kulturgeschichte der Menschheit."7

Im Inneren einer jeden Moschee gibt es einige charakteristische Merkmale mit funktionaler und / oder symbolischer Bedeutung. Brunnen bzw. Waschräume ermöglichen den Gläubigen, die rituelle Waschung (Wuḍūʾ) vorzunehmen. Schon auf die Zeit des Propheten geht der Minbar zurück, ein durch Stufen erhöhter Stuhl, später oft überdacht und reich verziert, von dem aus der Imam die Predigten hält. Der Mihrab, eine baulich besonders hervorgehobene Nische in der Wand, zeigt die Gebetsrichtung (Kibla) gen Mekka an, nach der sich die Betenden ausrichten. Gleichzeitig soll der Mihrab an die Anwesenheit des Propheten erinnern.8

Das äußere Erscheinungsbild betreffend entwickelten sich sowohl Kuppel als auch Minarett zu den charakteristischen Merkmalen islamischer Moscheearchitektur. Minarette (von arab. manāra, "Wegweiser, "ein Ort, der Licht gibt") wurden ab dem 9. Jahrhundert üblich, in Medina schon früher. Zunächst diente der Turm dazu, den Standort des muslimischen Gebetshauses anzuzeigen, später erfolgte vom Minarett aus auch der Gebetsruf (Adhan).9

Gerade das Minarett stößt, mehr noch als ein optisch als Moschee erkennbares Gebäude selbst, in Österreich und anderen europäischen Ländern auf massive Ablehnung in der nichtmuslimischen Bevölkerung. Im Jahr 2009 sprachen sich 58 % der acht Millionen Schweizer in einem Referendum für ein Minarettbauverbot aus.10 Die Initiatoren bezeichneten das Minarett als "Speerspitze der Scharia" und Symbol "religiös-politischer Machtansprüche [...], die den religiösen Frieden bedrohen".11 Auch in Österreich gab es mehrfach heftige Bürgerproteste wie etwa anlässlich des ersten, auf Tiroler Boden errichteten Minaretts in Telfs oder beim Bau der zweiten repräsentativen Moschee Österreichs, einem Kuppelbau mit zwei Minaretten in Bad Vöslau.12

Zwar existieren muslimische Gebetsstätten in Österreich beginnend mit dem Zuzug von ArbeitsmigrantInnen besonders seit den 1970er Jahren, waren aber im öffentlichen Raum und so auch im Bewusstsein der Bevölkerung lange nicht präsent. Es handelte sich üblicherweise um angemietete Kellerlokale und sogenannte "Hinterhofmoscheen", ab den 1980er Jahren auch käuflich erworbene ehemalige Lagerhallen oder Firmengebäude, die als Gebetsräume adaptiert wurden. Lange Zeit die einzige sichtbare Ausnahme bildete das 1979 im 21. Bezirk errichtete Islamische Zentrum Wien, ein repräsentativer Kuppelbau mit Minarett. Etwa seit dem Jahr 2000 entstehen zunehmend größere, multifunktionale islamische Zentren. Die muslimische Bevölkerungsgruppe wächst und hat heute eine verbesserte soziale und ökonomische Stellung als früher. Vor allem aber haben die ehemaligen "GastarbeiterInnen" und deren Nachfolgegenerationen ihren Lebensmittelpunkt nun definitiv in Österreich.13

Menschen muslimischen Glaubens sind ein Teil der österreichischen Gesellschaft und dürfen als solche auch den Anspruch stellen, "in ihrer religiös-kulturellen Identität öffentlich anerkannt zu werden."14 In Europa und auch in Österreich gibt es zunehmend die Tendenz, Moscheen zu errichten, die nicht mehr der "Heimweharchitektur"15 entsprechen, sondern mit modernen architektonischen Entwürfen einen positiven Beitrag zum Ortsbild leisten und somit auch einen Punkt entkräften, der in Anti-Moschee-Debatten zentral ist, nämlich die Verfremdung des Ortsbilds durch eine Moschee bzw. ein Minarett. Es sei angemerkt, dass dieses Argument der Ortsbildverfremdung oft den eigentlichen Grund für die Ablehnung eines Minaretts vertuscht, nämlich das "gesellschaftspolitische Ziel einer Beschränkung der öffentlichen Wahrnehmbarkeit des Islam"16, dem "vor wenigen Jahren Landesgesetze in Kärnten, Vorarlberg und Niederösterreich" dienten.17

In der österreichischen Gesellschaft angekommen sein und angenommen werden - darum geht es letztendlich, wenn wir über Islam in Österreich sprechen. Das Angenommenwerden bedeutet, Musliminnen und Muslimen würdige und ästhetisch ansprechende Gotteshäuser zuzugestehen, statt eine möglichst weitgehende Unsichtbarkeit zu fordern. Das Angekommensein verlangt von den Musliminnen und Muslimen, ihre religiösen Zentren mit Leben zu füllen, Begegnung und Austausch zu ermöglichen und aktiv für den Frieden in der Gesellschaft tätig zu sein.

1 IGGiÖ: Was ist eine Moschee?, www.tagderoffenenmoschee.at/index.php, abgerufen am 22.02.2016.

2 Vgl. ebd.

3 Vgl. Österreichischer Integrationsfonds (ÖIF): Islam als Teil der Gemeinde. Islam in Österreich, Moscheebau und Dialog - Informationen für Gemeinden, Organisationen & Multiplikator/innen, Wien 2015, S. 23.

4 Vgl. Karl Prenner: Die Stimme Allahs. Religion und Kultur des Islam, Graz: Styria 2001, S. 103f.

5 Vgl. ebd.

6 Vgl. Lorenz Korn: Die Moschee. Architektur und religiöses Leben (= Beck'sche Reihe C.H.Beck Wissen, Band 2573), München: Beck 2012, S. 19.

7 Ebd.

8 Vgl. Oleg Grabar: Die Moschee, in: Markus Hattstein/Peter Delius (Hg.): Islam. Kunst und Architektur, Köln: Könemann 2000, S. 44f., hier: S. 44.

9 Vgl. Ernst Fürlinger: Moscheebau und Moscheebaukonflikte in Österreich. Eine religionswissenschaftliche Perspektive, in: Österreichischer Integrationsfonds (ÖIF) 2015, S. 57-73, hier: S. 59.

10 Vgl. ZEIT ONLINE: Schweizer Referendum: Das erste Land der Welt verbietet Minarette 2009, www.zeit.de/politik/ausland/2009-11/schweiz-minarett-referendum, abgerufen am 29.02.2016.

11 Samuel M. Behloul: Minarett-Initiative. Im Spannungsfeld zwischen Abwehr-Reflex und impliziter Anerkennung neuer gesellschaftlicher Fakten, in: Mathias Tanner u.a. (Hg.): Streit um das Minarett. Zusammenleben in der religiös pluralistischen Gesellschaft (= Beiträge zu einer Theologie der Religionen, Band 8), Zürich: TVZ Theologischer Verlag Zürich 2009, S. 103-122, hier: S. 107.

12 Vgl. E. Fürlinger, in: Österreichischer Integrationsfonds (ÖIF) 2015, S. 59f.

13 Vgl. ebd., S. 62-64.

14 Ernst Fürlinger: Moscheebaukonflikte in Österreich. Nationale Politik des religiösen Raums im globalen Zeitalter (= Wiener Forum für Theologie und Religion, Band 7), Wien: V&R unipress Vienna University Press 2013, S. 169.

15 Richard Potz: Moscheebau in Europa: Eine rechtliche Perspektive, in: Österreichischer Integrationsfonds (ÖIF) 2015, S. 43-55, hier: S. 48.

16 Ebd., S. 52.

17 Ebd.

Danz, Christian/Ritter, André (Hg.): Zwischen Kruzifix und Minarett. Religion im Fokus der Öffentlichkeit (= Studien zum interreligiösen Dialog, Band 11), Münster: Waxmann 2012.

Fürlinger, Ernst: Moscheebaukonflikte in Österreich. Nationale Politik des religiösen Raums im globalen Zeitalter (= Wiener Forum für Theologie und Religion, Band 7), Wien: V&R 2013.

Korn, Lorenz: Die Moschee. Architektur und religiöses Leben (= Beck'sche Reihe C.H.Beck Wissen, Band 2573), München: Beck 2012.

Mathias Tanner u.a. (Hg.): Streit um das Minarett. Zusammenleben in der religiös pluralistischen Gesellschaft (= Beiträge zu einer Theologie der Religionen, Band 8), Zürich: TVZ Theologischer Verlag Zürich 2009.

Österreichischer Integrationsfonds (ÖIF): Islam als Teil der Gemeinde. Islam in Österreich, Moscheebau und Dialog - Informationen für Gemeinden, Organisationen & Multiplikator/innen, Wien 2015.

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