Experte sieht Spätstart für europäische islamische Religionspädagogik

Zeitungsbeitrag 10.08.2016 APA

Innsbruck (APA) - Die islamische Theologie und damit auch die Religionspädagogik muss auf die Lebenswelt der Gläubigen abgestimmt werden - und die liegt für viele Muslime in Europa. Das erklärte der Religionspädagoge Zekirija Sejdini anlässlich seiner Antrittsvorlesung am Mittwoch an der Universität Innsbruck im APA-Gespräch. Konzepte dafür seien aber erst im Entstehen und bräuchten Zeit, um sich durchzusetzen.


"Der Kontext muss unbedingt in den theologischen Überlegungen mitberücksichtigt werden. Wenn ich in einem säkularen Rahmen lebe, dann muss auch mein Verständnis von Theologie diesen mit einbeziehen, weil die Säkularität in Europa uns diese gesellschaftliche Diversität überhaupt erst ermöglicht", erklärte der Forscher vom Fachbereich Islamische Religionspädagogik am Innsbrucker Institut für Fachdidaktik.

Für den Wissenschafter muss sich Theologie und in Folge auch die Religionspädagogik bzw. Religionsdidaktik in der Schule mit den Lebensrealitäten auseinandersetzen. Von der europäischen Gegenwart ausgehend müsse man daher "ein neues theologisches und religionspädagogisches Verständnis ableiten".

Dazu gehöre die Orientierung an einem Menschenbild, das keine Abwertung der Würde eines anderen aufgrund abweichender Meinungen oder äußerer Merkmale zulässt. Der Glaube dürfe auch nicht im Gegensatz zur Vernunft verstanden werden und man müsse Menschen die Freiheit zugestehen, sich für oder gegen eine Religion zu entscheiden, "ohne dafür etwas befürchten zu müssen".

Die islamische Religionspädagogik in den europäischen Kontext einzubetten sei gewissermaßen "ein neuer Ansatz" über den erst seit höchstens zehn Jahren" an Universitäten diskutiert werde. Dementsprechend sei der Ansatz "noch nicht überall durchgedrungen. Das ist ein Wandel, den man erst verkraften muss", erklärte der Religionspädagoge. Die Richtung stimme nun, es gebe aber noch "viel zu tun, bis die Mehrheit das in der Praxis umsetzt", räumte Sejdini ein, der mit Ednan Aslan von der Uni Wien die einzigen beiden Lehrstühle in dem Bereich in Österreich inne hat.

Wie auch in anderen Konfessionen entscheiden die Glaubensgemeinschaften darüber, wer als Religionslehrer an den Schulen unterrichtet. Sejdinis Meinung nach sollte einem Engagement in den Pflichtschulen ein Bachelorstudium und einem in höheren Schulen ein Masterstudium vorausgehen. Das Ausbildungsangebot ist bisher aber überschaubar: Das Bachelorstudium in Innsbruck und ein Masterstudium an der Uni Wien sind zur Zeit die einzigen einschlägigen universitären Ausbildungen.

Der bereits länger bestehende "Private Studiengang für die Ausbildung islamischer ReligionslehrerInnen an Pflichtschulen" (IRPA) der Islamischen Glaubensgemeinschaft wird ab Herbst an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien/Krems durchgeführt. Zudem ist im neuen Islamgesetz die Einrichtung eines Fachbereiches "Islamische Theologie" an der Uni Wien und damit auch ein neues Bachelorstudium vorgesehen. Dass es diesen Plan gibt, der sich im Laufe dieses Jahres konkretisieren wird, sei positiv. Eine zweite solche Einrichtung würde sich Sejdini auch im Westen Österreichs wünschen.

Das Interesse sei jedenfalls groß: Etwas weniger als 100 angehende Pädagogen studieren zur Zeit in Innsbruck. "Das sind mehr als wir es erwartet haben", sagte Sejdini. Viele kombinieren ihr Studium auch mit anderen Lehramtsstudien.

Dass in dem Bereich erst "ziemlich spät" etwas passiert, sei kein österreichisches Phänomen und liege sicher auch daran, dass lange der Gedanke an eine Rückkehr der oft muslimischen Gastarbeiter in ihre Heimat vorherrschte. "Daher wurde auch auf lange Sicht nicht daran gedacht, dass es eine theologische Überlegung braucht, die auch hier in Europa gründet", vermutet der Forscher.

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