Frauen vor den Vorhang. Über weibliche Präsenz in der Moschee
"Hindert die Dienerin Allahs nicht am Gang zur Moschee Allahs."1
Wer als Frau eine Moschee betreten will, sucht zunächst nach dem richtigen Eingang, denn häufig gibt es für Frauen und Männer getrennte Zugänge. Der Weg zum Gebetsraum führt dann – je nach lokaler Moscheebautradition – entweder in einen mit hölzernen Trennwänden oder auch mit Tüchern abgetrennten Frauenbereich innerhalb des großen Gebetsraums, auf eine Empore oder in einen völlig abgetrennten Raum. Dies sorgt sowohl in muslimischen als auch in nichtmuslimischen Kreisen teilweise für Unmut.
Zur Zeit des Propheten Muhammad (gest. 632) gab es keine räumliche Trennung der Geschlechter, Männer beteten vorne, Frauen dahinter und dazwischen die Kinder. Im Lauf der Zeit und mit der Ausbreitung des Islams in unterschiedlichen Kulturen entwickelten sich die eingangs erwähnten, verschiedenen Formen der Geschlechtertrennung beim Gebet.2 Emporen sind zwar für die Moscheearchitektur früherer Jahrhunderte nur selten nachweisbar, mit den zunehmenden Re-Islamisierungstendenzen im 20. Jahrhundert jedoch hat die Praxis, eine Empore für Frauen einzurichten, zugenommen.3 Als Alternative zu einem gänzlich abgetrennten Raum ist solch eine Empore aus weiblicher Sicht wohl vorzuziehen, da sich die Gläubige durch die Möglichkeit, den Vorbeter (Imam) zu sehen und zu hören eher als Teil der betenden Gemeinschaft fühlen wird, als wenn sie nur die Stimme des Imams über einen Lautsprecher in einen Raum im Keller oder wo auch immer übertragen bekommt.
In Österreich kämpfen vor allem kleinere Moscheen – sofern sie nicht den großen islamischen Verbänden angehören – mit Raumnot und die Frauen landen häufig in wenig bis nicht einladenden, beengten Verhältnissen. Als diesbezügliche Begründung wird oft die Pflicht zum gemeinschaftlichen Freitagsgebet angeführt, die für Männer gilt, nicht jedoch für Frauen. Diese Befreiung von der Pflicht, die ja eine Erleichterung für die Frauen darstellt, etwa wenn sie kleine Kinder haben, wurde schon früh umgemünzt in die Empfehlung, Frauen sollten besser zu Hause beten.4 Ein überlieferter Ausspruch des Propheten Muhammad, wonach die beste Moschee für die Frau ihr Haus sei,5 verdeutlicht diese Tendenz, die freilich dahin zielt, Frauen allgemein aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Sie wurden im Lauf der Geschichte immer mehr "als potentielle `Unruhestifterinnen´ gesehen aufgrund der von ihnen möglicherweise ausgehenden Anziehung".6 Es gibt allerdings auch Hadithe wie den eingangs erwähnten, wonach Frauen am Moscheebesuch nicht gehindert werden dürfen und zur Zeit des Propheten war die Teilnahme der Frauen an den gemeinschaftlichen Gebeten und Versammlungen in der Moschee gängige Praxis. Erst im Lauf der Zeit drängte man Frauen – regional mehr oder weniger – aus der Moschee, und sei es nur dadurch, dass für sie einfach kein Platz war oder aber durch einseitige, frauenfeindliche Auslegung der Quellen.
Etwa seit den 1990er Jahren engagieren sich Frauen zunehmend in den muslimischen Gemeinschaften weltweit, besonders aber in Europa, und verlegten ihre Aktivitäten von häuslichen "Schwesternkreisen" in die Moscheen, wo sie sich so weit wie möglich ein Stück Raum zurückeroberten. Neben der Organisation verschiedener Kurse geht der Trend auch in Richtung einer verstärkten weiblichen Teilnahme an den Freitagsgebeten und den speziellen abendlichen Gebeten im Ramadan (tarāwīḥ)7, wobei zu diesen Anlässen der Andrang in den Moscheen überaus stark ist und das Platzproblem somit besonders akut. Ausreichend große, repräsentative Moscheegebäude würden den Frauen Raum für die gleichberechtigte und würdevolle Religionsausübung bieten und ihre aktive Teilnahme am Gemeindeleben fördern. Die Stärkung der Frau innerhalb der muslimischen Gemeinde sollte aber nicht vergessen lassen, wie wichtig es ist, gleichzeitig auch gegen eine Ausgrenzung von Musliminnen von Bildung, Beruf und gesellschaftlichem Leben durch die Mehrheitsgesellschaft vorzugehen. Ansonsten könnte die Moschee zu einem Ort der Isolation werden.8 Frauen spielen in der Gesellschaft eine wichtige Rolle und bei muslimischen Frauen ist das nicht anders. Im Integrationsprozess haben Frauen schon durch die Kindererziehung eine Schlüsselposition inne, wenngleich sie natürlich noch viele andere Rollen als jene der Mutter ausfüllen. Als solche aber sind sie Mittlerinnen zwischen Kindergarten, Schule und Familie und können somit als "Brückenbauerinnen zur Mehrheitsgesellschaft" fungieren.9
Von den Moscheevorständen werden die Aktivitäten von Frauen meist positiv gesehen, in Entscheidungsprozesse und verantwortliche Positionen sind sie allerdings wenig bis gar nicht eingebunden. Weibliche Vorstandsmitglieder bilden die Ausnahme oder aber sie sind auf "passende Aufgabenbereiche" festgelegt wie auf die Funktion der Frauenbeauftragten.10 Im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit in den Moscheegemeinden gibt es also Handlungsbedarf, wie die deutsche Islamwissenschaftlerin und muslimisch-feministische Theologin Rabeya Müller meint, wobei die Frauen selbst lernen müssten, "aktive Mitgestalterinnen des alltäglichen islamischen Lebens zu sein."11
Müller ist Mitbegründerin des Zentrums für Islamische Frauenforschung (ZIF) in Köln, das Ende der 1990er Jahre die islamische Frauenbewegung in Deutschland etabliert hat. Sie setzt sich für eine geschlechtergerechte Sichtweise auf die islamischen Schriften ein und dafür, die Frage des weiblichen Imamats endlich auch öffentlich zu diskutieren. In der Muslimischen Gemeinde Rheinland fungiert Rabeya Müller bereits als Imamin, was für viele Muslime und auch Musliminnen einem Tabubruch gleichkommt, wogegen es aber aus koranischer Sicht kein Argument gäbe, ist Müller überzeugt. Es gehe einzig darum, ob die Gemeinde hinter der Imamin als Person stehe.12 Weltweit gibt es derartige Ansätze des sogenannten "Gender Jihads", dem Versuch, "ein System langsam von innen her zu verändern, ohne die Grundprinzipien anzugreifen – die beste Voraussetzung für eine Weiterentwicklung. Der Koran wird nicht angezweifelt, sondern nur aus einer weiblichen Perspektive neu gelesen und neu interpretiert."13 Geprägt wurde der Begriff des "Gender Jihad" von Amina Wadud, einer amerikanischen Konvertitin, die im Jahr 2005 mit der Leitung eines Freitagsgebets als Predigerin und Imamin vor einer gemischtgeschlechtlichen Gruppe Aufsehen erregte.14
Ob eine Imamin je zur Normalität in den Moscheen gehören wird, ist theologisch zwar nicht unbedingt, gesellschaftspolitisch jedoch fraglich. Es bleibt zu hoffen, dass besonders die junge Generation künftig verstärkt für eine Verbesserung der Geschlechtergerechtigkeit innerhalb der muslimischen Gemeinden eintreten wird und althergebrachte patriarchalische Strukturen aufbricht, anstatt die traditionellen Muster fortzuführen oder aber sich von der muslimischen Gemeinde frustriert abzuwenden. Die Mehrheitsgesellschaft sollte die jungen Musliminnen und Muslime mit ihrer religiösen Identität als Teil der Gesellschaft anerkennen und besonders die muslimischen Frauen fördern, denn deren Stellung in der Gesellschaft wird sich auch auf jene innerhalb der muslimischen Gemeinden auswirken.