Gewalt ist nicht das letzte Wort

Zeitungsbeitrag 10.08.2016 Wolfgang Ölz

Univ. Prof. Zekirija Sejdini gab in seinem Impulsreferat beim Gesellschaftspolitischen Stammtisch im Kolpinghaus Dornbirn eine sehr differenzierte Sicht auf den Koran. In der anschließenden Podiumsdiskussion standen Strategien, wie mit der Gewalt im Namen Gottes umgegangen werden soll, im Vordergrund.


Trotz Schneetreibens konnte Gastgeber Michael Willam einen dicht besetzten Saal zur Podiumsdiskussion "Gewalt im Namen Gottes" begrüßen. Er nannte gleich mehrere Aspekte des Themas: Wie kommt es soweit, dass junge Menschen in die Sackgasse des Extremismus geraten und Ereignisse wie jene in Paris passieren? Inwieweit hat die Religion als solche Anteil am Terrorismus? Oder ist es so, dass diese Terroristen gar keine Muslime und ihre Taten im Grunde ein Angriff auf den Islam sind?

Prinzipien, nicht konkrete Anweisungen

Prof. Sejdini entwickelte in seinem Referat eine akribische Perspektive auf den Koran. Er startete mit einer Anekdote: Ein Gläubiger Muslim fragte einen Mufti, wieviele Interpretation des Koran es gebe. Dieser erwiderte, es gebe nur eine. Sejdini hielt dem entgegen, dass diese angeblich eine Auslegung des Korans nur eine von 1000 möglichen Interpretationen sei. Der Koran sei nämlich nicht als Buch direkt von Gott an Mohammed übergeben worden, sondern stelle eine lebendige Kommunikation zwischen Gott und den Menschen dar, die sich über 23 Jahre im Dialog zwischen dem Propheten Mohammed und Gott ereignet habe. Der Koran sei gewollt mehrdeutig, diese Mehrdeutigkeit sei aber im Laufe der Geschichte verlorengegangen. Nicht konkrete Anweisungen, sondern ethische Prinzipien sollten aus dem Koran bezogen werden. So solle wegen eines Diebstahls nicht die Hand abgehackt, sondern das Eigentum als schützenswertes Gut anerkannt werden.

Gott und drei Religionen

Für Ursula Rapp, eine der beiden Islambeauftragten der Diözese, müsse heute bewusst gemacht werden, dass die Gewalt eine Realität der menschlichen Existenz ist. Dass im Alten Testament auch ein gewaltbereiter Gott in Erscheinung tritt, dürfe nicht verdrängt, sondern müsse thematisiert werden, damit die Gewalt nicht das letzte Wort habe. In der Diskussion sagte Ursula Rapp, dass der eine Gott in den drei monotheistischen Religionen verehrt werden wolle.

Gewaltlosigkeit

Nino Kaufmann vom "Koje - Koordinationsbüro für Offene Jugendarbeit und Entwicklung" sagte, dass religiöse Themen nur eine kleine Gruppe von Jugendlichen beträfen. Vorarlberger Jugendliche, die mit dem "Islamischen Staat" sympathisieren, habe er noch keine getroffen, aber er wisse durch Berufskollegen von Polarisierungen, die auf eine Entscheidung für oder gegen den Islamismus hinausliefen. Für radikalisierte Jugendliche werden vom Koje Workshops zum Thema "Gewaltlosigkeit" angeboten.

Zur Sache: Die Rettung könnte aus Europa kommen

Während am Podium die einhellige Meinung herrschte, dass dem eindeutigen, politischen, terroristischen Islamismus ein mehrdeutiger, mystischer, nicht-staatlicher Islam entgegengesetzt werden könne, war im Publikum mehrheitlich die Angst vor einem "gewaltbereiten Islam" zu spüren. Dabei ging es auch um die sogenannten "Schwertverse" im Koran, beispielsweise: "(...) Und tötet sie, wo immer ihr auf sie stoßt, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben; denn die Verführung (zum Unglauben) ist schlimmer als Töten."

Sejdini antwortete, dass sich dieser Vers auf die historische Situation beziehe, als die Muslime nach Medina vertrieben und sie selbst getötet wurden, weil sie Muslime waren. Während die Gelehrten diesen Versen keine allgemeine Gültigkeit zugestehen, seien es die Extremisten, die sich diesen Vers herauspicken, um so eine Legitimation für ihre terroristischen Taten zu haben.

Auf die Frage, in welchem islamischen Staat er mit seinen Ansichten denn leben wolle, antwortete Prof. Sejdini: "In keinem". Trotzdem vertraue er auf die verändernde Kraft des Islams, und sei der Meinung, dass rettende Ansätze nicht aus den islamischen Staaten, sondern aus Europa kommen könnten. Der Islam sei keine Religion für den Staat, sondern für die Menschen. Die Religion wirke im Inneren des Menschen, und könne nicht mit Zwang verordnet werden.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 6 vom 5. Februar 2015)

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