„Gib die frohe Kunde, dass ihnen Gärten zuteilwerden …“ – Paradies und Paradiesvorstellungen im Islam

Artikel 10.10.2022 Redaktionsteam

Der vorliegende Beitrag behandelt das Thema Paradies und Paradiesvorstellungen aus islamischer Perspektive. Nach einer kurzen Begriffserklärung werden frühe Ansichten zum Paradies und die wichtigsten Quellen dazu erörtert, woraufhin die bekanntesten Komponenten des Paradieses dargestellt werden.


Der Paradiesbegriff

Paradies heißt im Arabischen ǧanna, wobei der Begriff mit dem Hebräischen Gan Eden verwandt ist. Weitläufig ist der verkürzte Begriff Eden bekannt, was neben Paradiesgarten auch Freude oder Seligkeit bedeutet. Zusätzlich zu ǧanna wird an einigen Stellen im Koran auch das (dem Hebräischen ähnliche) Wort ʿadn für Paradies verwendet. Außerdem kommt an zwei Stellen (Koran 18:107, 23:11) die aus dem Persischen entlehnte Bezeichnung firdaus (Garten) oder ǧannatu l-firdausi (Paradiesgarten) vor.

Doch egal, ob ǧanna, ʿadn, firdaus oder ǧannatu l-firdausi – alle Wörter meinen gleichermaßen das Paradies im Islam. Dieses wird als der zukünftige Wohnort im Jenseits derjenigen Menschen definiert, die Gutes in ihrem jetzigen Leben, dem Diesseits (ad-dunyā), vollbracht und somit Gottes Zufriedenheit erlangt haben. Das Paradies wird als ein Ort voller Freude beschrieben, der keinen Platz für Trauer, Wut oder andere negative Gefühle lässt. Der Gegenbegriff zum Paradies ist die Hölle (ǧahannam), auch das Feuer (nār) genannt.1

Frühe Paradiesvorstellungen und ihre Quellen

Das von islamischen Gelehrten am häufigsten beschworene Bild des Paradieses entstand zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert, wobei es im 12. Jahrhundert seine volle Ausprägung fand. Insbesondere ist hier die überlieferte nächtliche Himmelsreise (miʿrāǧ) des Gesandten Muhammad von großer Bedeutung, denn sie gibt Einblick in die Erfahrungen des Gesandten während seines Besuches im Paradies. Geschichten und Erzählungen zu dieser besonderen Reise erfreuten sich großer Beliebtheit und wurden äußerst schnell weitertradiert.2

Viele Darstellungen des Paradieses im Koran weisen gemeinsame Merkmale mit den Religionen des Christen- und Judentums auf. Man erkennt sogar Gemeinsamkeiten mit der Eschatologie des Zoroastrismus im Iran; so wird die Brücke irāṭ (die Brücke, die von den Verstorbenen überquert werden muss, um ins Paradies zu gelangen) mit der zoroastrischen Chinvat-Brücke verglichen. Außerdem ähneln die Flüsse des Paradieses,3 die auch in vielen weiteren islamischen Texten erörtert werden, der Paradiesbeschreibung in der hebräischen Bibel. Die Mehrheit der MuslimInnen heute artikuliert jedoch ihre Vorstellung vom Paradies ohne Rücksicht auf religiöse Vergleiche und schenkt diesen wenig Beachtung.4

Zu den frühesten aufgezeichneten Texten der islamischen Geschichte gehören bekanntlich der Koran und die biografischen Überlieferungen des Gesandten Muhammad, verfasst von Ibn Isḥāq (gest. 768) und später herausgegeben von Ibn Hišām (gest. 834). Eine sehr bekannte Überlieferung ist jene über die acht Tore des Paradieses:5 „Wahrlich, das Paradies hat acht Tore, zu denen ein Tor gehört, das Ar-Rayyan heißt, und durch das keine anderen eintreten werden, außer den Fastenden!“6 Die Idee, dass das Paradies acht Tore habe, findet bereits früh Eingang in die islamische Eschatologie und die Vorstellung der MuslimInnen. Im Koran hingegen wird lediglich die Anzahl der Tore des Höllenfeuers erwähnt, nämlich sieben: „und für alle solche, siehe, ist die Hölle das versprochene Ziel, mit sieben Toren, die in sie hineinführen, und jedes Tor empfängt seinen zugeteilten Anteil von Sündern.“7 Die Anzahl der Tore des Paradieses bleibt im Koran offen.

Die Unvermeidbarkeit des Todes und das spätere Eintreten eines jeden Menschen in das Paradies oder das Feuer stellen im Koran und in den Überlieferungen eines der Hauptthemen dar. Vor allem im Koran wird auf die Verheißung, dass die gesamte Menschheit die Konsequenzen ihrer Entscheidungen tragen werde, mehrmals erinnert. Thematisiert wird dies vorwiegend in den frühen mekkanischen Suren. Man könnte sogar sagen, dass sich der Koran durch das ständige Erinnern und Ermahnen an das Jenseits selbst strukturiert. Die wohl am häufigsten vorkommende Wiederholung bezogen auf das Paradies ist:8 „Doch jenen, die Glauben erlangt haben und gute Werke tun, gib die frohe Kunde, daß ihnen Gärten zuteil werden, durch die Wasserläufe fließen. […]“9

Zwischen Wasserströmen, gutem Essen und Erholung

Wie bereits erwähnt, gilt der Koran als Hauptquelle für die Beschreibung des Paradiesgartens, weswegen an dieser Stelle Koranverse herangezogen werden, um die am häufigsten genannten Merkmale und essentiellen Komponenten des Paradieses zu beschreiben.

Das Paradies wird im Koran als eine riesengroße Gartenanlage beschrieben. Darin wohnen Paradiesmädchen und Paradiesknaben, die als eine Art himmlische Kellner fungieren und den Eingetroffenen Getränke reichen:10 „Und sie werden von (unsterblichen) Jugendlichen bedient werden, (als ob sie Kinder wären) von ihnen selbst, (so rein) als ob sie in ihren Muscheln verborgene Perlen wären.“11 Die Bewohner sitzen und ruhen auf Polstern und Teppichen und erfreuen sich des Anblicks des schönen Gartens und des strömenden Wassers:12 „(Und) manche Gesichter werden an jenem Tag vor Seligkeit leuchten, wohlzufrieden mit (der Frucht) ihres Bemühens, in einem erhabenen Garten, in dem du kein leeres Gerede hören wirst. Zahllose Quellen werden darin fließen, (und) dort werden hoch erhöhte Throne (der Glückseligkeit) sein, und Kelche bereitgestellt, und Kissen aufgereiht, und Teppiche ausgebreitet […].“13

Insbesondere das fließende Wasser gilt als eine wichtige Komponente, denn es wird nahezu jedes Mal genannt, wenn vom Paradies die Rede ist. Dies erscheint logisch, wenn man beachtet, dass nach dem Koran jedes lebendige Ding aus Wasser stammt.14 Kein Garten kann existieren ohne Wasser, so auch das Paradies, das von durchströmten Gewässern umgeben ist.15 Außerdem erscheinen die Beschreibungen von ständig sprudelnden Wasserquellen und einem Zustand ohne Sorgen aufgrund von Durst und Hitze im Kontext einer Wüstenlandschaft, in dem die ersten MuslimInnen lebten, besonders attraktiv und erstrebenswert.

In einem Hadith wird außerdem die unvorstellbare Größe des Paradiesgartens bildhaft dargestellt: „Es gibt wahrlich im Paradies einen Baum, in dessen Schatten ein Reiter einhundert Jahre lang reiten kann, ohne das Ende des Schattens zu erreichen.“16

Das Paradies ist von Wächtern überwacht, welche die ankommenden Menschen begrüßen werden: „Aber jene, die sich ihres Erhalters bewußt waren, werden in Scharen zum Paradies gedrängt werden, bis, wenn sie es erreichen, sie seine Tore weit offen finden werden; und seine Wächter werden zu ihnen sagen; „Frieden sei auf euch, Wohl habt ihr getan: geht also ein in dieses (Paradies), darin zu verbleiben!“17

Den Menschen werden Häuser oder Gemächer versprochen, in denen sie sich ausruhen können: „Demgegenüber werden jene, die sich ihres Erhalters bewußt sind, (im kommenden Leben) Wohnstätten, errichtet auf hohen Wohnstätten, haben, unter denen Wasserläufe fließen: (dies ist) Gottes Versprechen – (und) niemals fehlt Gott, Sein Versprechen zu erfüllen.“18

Auch zur Kleidung der Paradiesbewohner gibt es im Koran eine Beschreibung: „Auf jenen (Seligen) werden Gewänder aus grüner Seide und Brokat sein; und sie werden geschmückt sein mit Armreifen aus Silber. […]“19

Reichlich gutes Essen und Trinken wird in Gold- und Silberschalen serviert: „(Und dort) wird ihnen aufgewartet mit Schalen und Kelchen aus Gold; und dort wird alles zu finden sein, was die Seelen wünschen mögen, und (alles, was) die Augen erfreuen mag.“20 – „Und ihnen wird aufgewartet werden mit Gefäßen aus Silber und Kelchen, die Kristall (zu) sein (scheinen) – kristallartig, (aber) aus Silber – deren Maß sie allein bestimmen werden.“21

Fazit

Das Paradies bildete in der Literatur bereits in den ersten Jahrhunderten des Islams ein wichtiges Thema, wobei für Paradiesdarstellungen vorwiegend auf den Koran, Überlieferungen des Gesandten sowie seine Biographie zurückgegriffen wurde. Vor allem im Koran mangelt es nicht an Lesestoff zum Paradies: Unzählige Koranverse beschreiben die Schönheit des Paradieses und die von ihm ausgehende Glückseligkeit. Stets präsent sind strömendes Wasser, große Gärten mit vielen Pflanzen, reichlich schmackhaftes Essen, verschiedenste Getränke, schöne Kleidung und ausschließlich positive Gedanken und Gefühle. Was vielleicht nach einer wunderschönen Urlaubsdestination klingt, ist die Paradiesvorstellung, welche die meisten MuslimInnen vertreten und auf die sie neugierig und mit Freude hoffen.

Das Paradies und der Glaube daran üben einen bedeutenden Einfluss auf das Leben der MuslimInnen, denn tagtäglich werden sie daran erinnert, dass sie die Konsequenzen ihres Lebens mit sich in das Jenseits nehmen werden. Dies ermutigt sie wiederum, sich bis zu ihrem Tod ständig selbst zu verbessern.

1 Vgl. Jürgen Tubach: »Die Schönheiten des koranischen Paradieses: Huris, Weintrauben und Männerphantasien«, in: Jürgen Tubach/Armenuhi Drost-Abgarjan/Guliko S. Vashalomidze (Hg.): Sehnsucht nach dem Paradies. Paradiesvorstellungen in Judentum, Christentum, Manichäismus und Islam. Beiträge des Leucorea-Kolloqiums zu Ehren von Walther Beltz, Wiesbaden: Harrassowitz 2010, S. 179-199, hier S. 179.

2 Vgl. Sebastian Günther/Todd Lawson/Christian Mauder (Hg.): Roads to Paradise. Eschatology and Concepts of the Hereafter in Islam. Vol. 1: Foundations and the Formation of a Tradition. Reflections on the Hereafter in the Quran and Islamic Religious Thought, Leiden/Boston: Brill 2017, S. 275.

3 Vgl. Muhammad Asad [Übers.]: Die Botschaft des Koran. Übersetzung und Kommentar, Ostfildern: Patmos-Verlag 2017, Koran 47:15.

4 Vgl. Nerina Rustomji: »Early Views of Paradise in Islam«, in: Religion Compass 4 (2010), S. 166–175, hier S. 166.

5 Vgl. S. Günther u. a. 2017, S. 346.

6 Vgl. IslamDa. Die Islamische Wissensdatenbank (2022): Sahīh al-Buchārī, Kap. 53, Hadith 3257, islamische-datenbank.de/sahih-al-buchari, abgerufen am 23.09.2022.

7 Koran 15:43 f.

8 Vgl. N. Rustomji 2010, S. 167 f.

9 Koran 2:25.

10 Vgl. J. Tubach 2010, S. 181.

11 Koran 52:24.

12 Vgl. J. Tubach 2010, S. 181.

13 Koran 88:8–16.

14 Koran 21:30.

15 Vgl. S. Günther u. a. 2017, S. 58.

16 IslamDa. Die Islamische Wissensdatenbank (2022): Sahīh al-Buchārī, Kap. 53, Hadith 3251, islamische-datenbank.de/sahih-al-buchari, abgerufen am 23.09.2022.

17 Koran 39:73.

18 Koran 39:20.

19 Koran 76:21.

20 Koran 43:71.

21 Koran 76:15 f.

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