Muhammad. Der Prophet des Islam

Artikel 09.08.2016 Redaktionsteam

Dieser Artikel stellt eine allgemeine Einführung in die Biographie Muhammads dar. Zunächst wird auf die verfügbaren Quellen eingegangen, danach werden in chronologischer Abfolge die Lebensabschnitte des Propheten Muhammad skizziert.


"Es war nicht das Schwert, das dem Islam seinen Platz in der Geschichte beschert hat. Es war die rigide Einfachheit, die absolute Bescheidenheit des Propheten Mohammed. Es war seine peinlich genaue Beachtung von Versprechen, die intensive Hingabe zu Freunden und Anhängern, seine Furchtlosigkeit und sein fester Glaube an Gott und seine eigene Mission." (Mahatma Ghandi, gest. 1948)1

Wer war Muhammad (saws.)2, zentrale Figur des Islam, den seit über 1400 Jahren Generationen von Menschen in Liebe verehren? Und der auch heute als Vorbild von weltweit fast 1,6 Mrd. Gläubigen3 eine zentrale Rolle spielt in ihrem Bemühen um ein gottgefälliges Leben?
Zunächst stellt sich die Frage, woraus wir unser Wissen über Muhammad schöpfen und wie objektiv die zeitgenössischen Quellen sind. Annemarie Schimmel (gest. 2003), vielfach geehrte Orientalistik-Professorin, erachtet mehrere Quellen als relevant4 - ihre Ansicht deckt sich dabei mit der allgemeinen theologischen Meinung:
An erster Stelle stehen der Koran sowie die in der Hadithliteratur gesammelten Aussprüche Muhammads und Berichte über seine Taten. Weiters geben die Gedichte Ḥasan ibn Ṯābits (gest. 674?), des medinensischen Dichters und Prophetengefährten5, Aufschluss über Ereignisse im Leben der muslimischen Gemeinde und Muhammads. Auch entstanden schon früh Berichte über die Kriegszüge des Propheten und bald begann man mit dem Verfassen seiner Biographie (sīra). Grundlage für alle späteren sīra-Werke bildet bis heute die von Ibn Isḥāq (gest. um 767) aufgezeichnete Lebensgeschichte Muhammads, die vom Historiker Ibn Hišām (gest. 833) redigiert wurde.6 Den Umstand, dass sich um die Gestalt Muhammads Legenden gebildet haben, hält Annemarie Schimmel für selbstverständlich und durchaus positiv, denn "es sind ja solche Legenden, aus denen man das Charisma des religiösen Führers besser erkennt als aus trockenen Fakten."7 Eine weitere Quelle, die Schimmel aber nicht nennt, ist das Buch Al-Schifā von Qāḍī ʿIyāḍ, das besonders auf die Wesensmerkmale des Propheten Muhammad eingeht.8

Der Prophet des Islam wurde um 570 n. Chr. in der Wüstenoase Mekka als Muhammad Ibn Abdullah in eine angesehene, aber verarmte Sippe der Haschim geboren, einem Zweig des herrschenden Stammes der Quraiš. Sein Vater verstarb noch vor Muhammads Geburt, seine Mutter Āmina etwa sechs Jahre später.
Als Säugling wurde Muhammad einer Amme namens Ḥalīma anvertraut, eine damals übliche Praxis, um die Kinder in der gesunden klaren Wüstenluft aufwachsen zu lassen. Sie entkamen so den üblichen Krankheiten der Stadt. Auch galt das Arabisch der Wüstenbewohner als besonders rein und edel, war Sprache doch eines der höchsten Güter der Beduinen.9 Die Beduinen selbst profitierten durch das Annehmen der Pflegekinder von der Milchverwandtschaft zu einflussreichen mekkanischen Familien.
Zur Waise geworden wuchs Muhammad zwei Jahre lang bei seinem Großvater ʿAbd al-Muṭṭalib auf. Nach dessen Tod (um 578) lebte er unter dem Schutz seines Onkels Abū Ṭālib. Dieser Schutz der Familie und Sippe war in jener Zeit der Stammesgesellschaft überlebensnotwendig, einer Zeit, in der Vergeltung, Blutrache und Blutgeld eine zentrale Rolle spielten.10
Muhammad begleitete seinen Onkel auf dessen Handelsreisen. Mekka war damals Knotenpunkt großer Handelskarawanen sowie Wallfahrtsort mit der Kaaba als Heiligtum. Die wirtschaftlich bedeutsamen, kriegsfreien Zeiten der Wallfahrt boten Gelegenheit für Märkte, Dichterwettstreite und stammesübergreifende Zusammenkünfte. Der Stamm der Quraiš war als Hüter der Kaaba für die Organisation der Pilgerversorgung zuständig. In und um die Kaaba wurde eine Vielzahl von männlichen und weiblichen Gottheiten verehrt, darunter drei "Töchter Allahs". Allah selbst wurde wohl als eine Art ferner Hochgott verehrt, angerufen meist nur über vermittelnde Gottheiten und im Unterschied zu diesen ohne eigenes Kultbild.11 Die Vorstellung eines Lebens nach dem Tod war den Mekkanern gänzlich unbekannt.12
Auch Muhammad widmete sich während seiner ersten vierzig Lebensjahre dem Handel. Er war bekannt unter dem Beinamen al-Amīn, "der Vertrauenswürdige". Im Alter von etwa fünfundzwanzig Jahren bot ihm die wohlhabende, verwitwete und bedeutend ältere Kauffrau Ḫadīǧa bint Ḫuwaylid, deren Karawanen er anführte, die Ehe an. Muhammad lebte mit ihr fünfundzwanzig Jahre lang in monogamer Ehe, aus der vier Töchter und ein oder zwei Söhne hervorgingen, die früh verstarben. Erst nach Ḫadīǧas Tod sollte Muhammad mehrere, meist gesellschaftspolitisch relevante Ehen eingehen. Den Quellen zufolge beteiligte sich Muhammad - wie auch die sogenannten Hanifen13 - nie am herrschenden Vielgötterkult. Zeitweise zog er sich zur Meditation in die Höhle am Berg Ḥirāʾ auf den später so benannten ǧabal an-nūr, dt. "Berg des Lichts", zurück. Hier erhielt er im Jahr 610 als Vierzigjähriger zum ersten Mal eine Offenbarung Allahs (Koran 96:1-5), überbracht durch den Engel Gabriel.
Dies war der Beginn der Herabsendung des Korans, die bis zu Muhammads Lebensende andauerte. Muhammad war naturgemäß zutiefst erschrocken. Seine Frau Ḫadīǧa soll von der Wahrhaftigkeit der Offenbarung sofort überzeugt gewesen sein. Und Ḫadīǧas christlicher Cousin Waraqah bestätigte die Prophetenschaft Muhammads aufgrund seiner Schriftkenntnisse.
Anfangs teilte Muhammad die göttlichen Botschaften nur mit einem kleinen Kreis Auserwählter, doch schnell wuchs die Zahl seiner Anhänger, die sich zunächst im Geheimen zum Gebet trafen. Erst etwa drei Jahre später ging Muhammad mit seinem Aufruf, an Allah, den einzigen Gott zu glauben und ihm nichts beizugesellen, an die Öffentlichkeit. Dies stellte einen Angriff auf die alte Ordnung dar und der Rat der Quraiš scheute sich nicht, Muhammad Reichtum, die Ehre des Stammesführers und gar eine Krönung zum König anzubieten - wenn er dafür seine Botschaft widerriefe.14
Die Zahl der Musliminnen und Muslime nahm zu und es kam zu ersten gewalttätigen Übergriffen auf Sklaven und Angehörige machtloser Familien, die sich zum Islam bekannten. Muhammad mahnte zu Gewaltverzicht und Geduld. Mit zunehmender Gewalt jedoch riet Muhammad, selbst auf den Schutz seines Onkels Abū Ṭālib angewiesen, etwa hundert Männern und Frauen zur Flucht über das Rote Meer ins relativ sichere Exil nach Abessinien unter dem christlichen Negus. Die in Mekka verbliebene muslimische Minderheit stand unter dem Schutz einflussreicher, muslimisch gewordener Männer wie ʿUmar b. al-Ḫaṭṭāb (gest. 644) und Ḥamza (gest. 625). Doch dann beschlossen vierzig Familienoberhäupter die Verbannung Abū Ṭālibs und aller Familien der Haschim aus der Stammesgesellschaft, um Abū Ṭālib zu zwingen, Muhammad seinen Schutz zu entziehen. Der damit einhergehende Handelsboykott entzog den Familien die Lebensgrundlage. Die Verbannten lebten drei Jahre lang, unterstützt durch heimliche Helfer, in den Ausläufern der Berge außerhalb Mekkas, bis einige Stammesoberhäupter für ein Ende des Banns eintraten.
Als 619 Muhammads Frau Ḫadīǧa starb und kurz darauf sein Onkel Abū Ṭālib, der Muhammad Schutz gewährt hatte - obwohl selbst kein Muslim -, wurde die Lage gefährlich. Man wollte Muhammads Vertreibung oder gar Tod. So kam es 622 zur Hidschra, der Auswanderung der Muslime in die nördlich von Mekka gelegene Oase Yaṯrib.
Die Hidschra stellt den Startpunkt der islamischen Zeitrechnung dar sowie den Beginn des Aufbaus einer islamischen Gemeinschaft in al-Medina, "der Stadt (des Propheten)", wie Yaṯrib von nun an genannt wurde. Darin eingebunden waren alle, sowohl muslimische als auch andersgläubige arabische und jüdische Stämme, solange sich diese nicht mit Feinden verbünden würden. Ziel war die Schaffung eines stabilen und andauernden Friedens zwischen unterschiedlichen Kulturen und Religionen, die in Medina lebten.
Doch auch nach der Auswanderung erloschen die Anfeindungen der mekkanischen Götzendiener gegenüber dem Propheten Muhammad und der muslimischen Gemeinde nicht. Dies führte dazu, dass die junge muslimische Gemeinschaft gezwungen war, auch kriegerisch gegen die Mekkaner vorzugehen, um ihre Existenz zu sichern und zurück in ihre Heimat zu kehren.

628 unternahm Muhammad den Versuch, mit seiner Gemeinde die Pilgerfahrt zur Kaaba durchzuführen. Die Mekkaner ließen die Pilger nicht durch, jedoch schlossen sie mit Muhammad bei Ḥudaybiyah ein Friedensabkommen, was die Anerkennung Muhammads als offiziellen Anführer Medinas bedeutete. In der Folge schlossen sich viele arabische Stämme dem Islam an und die Quraiš hatten kaum mehr Verbündete gegen Muhammad.
Schließlich kam es im Jahr 630 zur friedlichen Einnahme der Stadt Mekka. Muhammad hatte Waffengewalt und Plünderungen verboten und erließ eine Amnestie gegenüber fast all seinen Gegnern.15 Er erklärte alles Frühere wie Geld- und Blutschulden für aufgehoben, einzig die Verpflichtung zur Versorgung der Pilger und zum Schutz der Kaaba sollte bestehen bleiben.16
Muhammad kehrte wenige Wochen später nach Medina zurück. 632 führte er ein letztes Mal die Pilgerfahrt an, die als "Abschiedswallfahrt" in die Geschichte eingegangen ist. In einer bei Ibn Isḥāq überlieferten Predigt17 rief Muhammad u. a. zu Gerechtigkeit, Verantwortung für die eigenen Taten, Wachsamkeit im Glauben und guter Behandlung von Frauen auf, verbot Zins und Blutschuld und betonte, dass Muslime untereinander Geschwister seien. Wenig später, im Jahr 632, verstarb der Prophet des Islam nach plötzlicher, kurzer Krankheit im Alter von 62 Jahren.18

1 Vgl. Dietrich Alexander: Geliebter Prophet. Edward Gibbon, Thomas Carlyle und Johann Wolfgang Goethe: Der islamische Religionsstifter Mohammed hat viele westliche Denker fasziniert, in: Die Welt online vom 11.02.2006, www.welt.de/197248, abgerufen am 25.11.2015.

2 Anm.: saws.: Kurzform für arab. sallā ʾllāhu ʿalayhi wa-sallam(a), dt.: "Gott segne ihn und schenke ihm Heil!" ist die heute allgemein verwendete Eulogie nach der Namensnennung des Propheten Muhammad.

3 Vgl. www.worldometers.info/world-population/, abgerufen am 02.12.2015.

4 Vgl. Annemarie Schimmel: Muhammad (= Diederichs kompakt), Kreuzlingen: Hugendubel 2002, S. 9.

5 Vgl. www.britannica.com/biography/Hassan-ibn-Thabit, abgerufen am 07.12.2015.

6 Vgl. Annemarie Schimmel: Und Muhammad ist sein Prophet. Die Verehrung des Propheten in der islamischen Frömmigkeit (= Diederichs gelbe Reihe Islam, Band 32), München: Diederichs 1995.

7 Vgl. A. Schimmel 2002, S. 9.

8 Al-Qāḍī ʿIyāḍ al-Yaḥsubī: Al-Schifā. Die Heilung durch Bestimmung der Rechte des Auserwählten (Al-Schifā bi-Taʿrīf Ḥuqūq al-Muṣṭafā). [(Teile I bis III von IV)], Hellenthal: Warda-Publ 2013.

9 Anm.: Zu Sprache und Leben in der Wüste vgl. Lorenz Just: Mohammed. Das unbekannte Leben des Propheten, Stuttgart: Gabriel 2015.

10 Vgl. Gudrun Krämer: Geschichte des Islam (= dtv, Band 34467), München: Dt. Taschenbuch-Verl. 2011, S. 15-16.

11 Ebd., S. 18.

12 Vgl. A. Schimmel 2002, S. 11.

13 Anm.: Hanifen waren Monotheisten, die weder dem Juden- noch dem Christentum angehörten.

14 Vgl. L. Just 2015, S. 94.

15 Anm.: Von dieser Amnestie ausgenommen waren lediglich einige Personen, die als Staatsfeinde agiert hatten.

16 Vgl. ebd., S. 209 - 210.

17 Vgl. Ibn-Isḥāq: Das Leben des Propheten. As-sīra an-nabawīya, Dali/Nikosia, Zypern: Spohr 2008, S. 250 - 251.

18 Vgl. A. Schimmel 2002, S. 16.

Ibn-Isḥāq, Muḥammad: Das Leben des Propheten. As-sīra an-nabawīya, Dali/Nikosia, Zypern: Spohr 2008.

Just, Lorenz: Mohammed. Das unbekannte Leben des Propheten, Stuttgart: Gabriel 2015.

Lings, Martin: Muhammad. Sein Leben nach den frühesten Quellen, Kandern im Schwarzwald: Spohr 2008.

Qāḍī ʿIyāḍ al-Yaḥsubī: Al-Schifā. Die Heilung durch Bestimmung der Rechte des Auserwählten (Al-Schifā bi-Taʿrīf Ḥuqūq al-Muṣṭafā) ; [(Teile I bis III von IV)], Hellenthal: Warda-Publ 2013.

Paret, Rudi: Mohammed und der Koran. Geschichte und Verkündigung des arabischen Propheten (= Urban-Taschenbücher, Band 32), Stuttgart: Kohlhammer 1991.

Schimmel, Annemarie: Und Muhammad ist sein Prophet. Die Verehrung des Propheten in der islamischen Frömmigkeit (= Diederichs gelbe Reihe Islam, Band 32), München: Diederichs 1995.

-: Muhammad (= Diederichs kompakt), Kreuzlingen: Hugendubel 2002.

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