Religiöse Festtage im muslimischen Jahreskreislauf

Artikel 27.03.2017 Redaktionsteam

In der pluralistischen Gesellschaft, in der wir heutzutage leben, ist es meiner Meinung nach wichtig, auch die religiösen Festtage einer anderen Glaubensgemeinschaft zu kennen, um den Mitmenschen mehr Verständnis und Achtung entgegenbringen zu können und auch einen Dialog zu eröffnen. Der folgende Beitrag bietet eine Einführung in die Fest- und Feiertage der Muslime und folgt dem Jahresablauf nach dem islamischen Mondkalender.


Alle religiösen Feiertage im Islam orientieren sich am islamischen Mondkalender. In seinen Ursprüngen geht er auf die Auswanderung Muhammads von Mekka nach Medina zurück, die hiǧra.1 Der Kalender folgt dem Mondjahr, welches elf Tage kürzer ist als das Sonnenjahr. Aus diesem Grund verschiebt sich das Mondjahr gegenüber dem Sonnenjahr und die Feste fallen in unterschiedliche Monate und auch Jahreszeiten. Die islamischen Feste haben daher keinen saisonalen Charakter, wie das christliche Weihnachten oder Ostern.
Das Jahr besteht aus zwölf Monaten mit abwechselnd dreißig oder neunundzwanzig Tagen. Der Monat beginnt, wenn die Mondsichel nach dem Neumond wieder zu sehen ist. In einigen Ländern werden astronomische Berechnungen durchgeführt, um den Kalender im Voraus festzulegen, während für andere nur die Beobachtung des Mondes bedeutsam ist. Aus diesem Grund kann der islamische Kalender in unterschiedlichen Ländern um ein bis zwei Tage differieren. Der neue Tag beginnt, wie im Judentum, mit Sonnenuntergang.2
Der Höhepunkt der Woche ist der Freitag, vergleichbar mit dem jüdischen Sabbat und dem christlichen Sonntag. Am Freitag findet das Gemeinschaftsgebet (Koran 62:9), auch Freitagsgebet (ṣalāt al-ǧum'a) genannt, zur Zeit des Mittagsgebetes (ṣalāt az-ẓuḥr) in der Moschee statt. Die Freitagspredigt (ḫuṭba) ist ein wichtiger Teil dieses Gottesdienstes. Der Besuch ist für volljährige männliche Muslime verpflichtend. Der Freitag ist nicht heilig, sodass nach dem Gebet die Arbeit wiederaufgenommen werden darf.3

Es gibt offizielle religiöse Feste, die von allen Muslimen gefeiert werden, aber auch Feste, die nur in bestimmten Orten zelebriert werden, wie die Heiligenfeste. Die Muslime kennen aber auch saisonale Feiertage, die keinen religiösen Charakter haben, wie die Feier des persischen Neujahrs und Frühlingbeginns, das Nourūz genannt wird.4 Das neue Jahr beginnt im islamischen Kalender mit dem Monat Muḥarram, es gibt aber kein offizielles Neujahrsfest. Am zehnten Tag dieses Monats ist der höchste schiitische Feiertag, Aschura (ʿāšūrāʾ), an dem die Schiiten des Märtyrertodes von Ḥusain, dem Enkel des Propheten, gedenken. Die Feierlichkeiten erstrecken sich über mehrere Tage. An diesen Tagen fasten die Schiiten und die Aleviten und zum Teil auch die Sunniten.5 Der zweite Monat, der Ṣafar, wird als Unglücksmonat angesehen, da in ihm die Krankheit des Propheten ausgebrochen ist, an der er dann verstorben ist. Der dritte Monat, der Rabīʿu ʾl-awwal, steht mit der Geburt und dem Tod des Propheten in Verbindung. Das Datum seines Todes ist bekannt, am 12. Tage des Mondmonates. Sein Geburtstag, die "Nacht der Geburt des Propheten", wird nach sunnitischer Überlieferung am 12., nach schiitischer Überlieferung am 17. Rabīʿu ʾl-awwal zelebriert.6 Gefeiert wird mit religiösen Erzählungen, Gesängen und Gedichten. Diese Nacht zählt zu den gesegneten Nächten, was jedoch unter den Gelehrten umstritten ist.7 Während Trauerfeiern zum Todestag des Propheten schon seit frühester Zeit überliefert sind, stammen die frühesten Feiern zu Ehren des Geburtstages aus der Zeit der Fatimiden in Ägypten.8 Die drei aufeinander folgenden Monate Rabīʿ aṯ-ṯānī, Ǧumādā l-ūlā und Ǧumādā ṯ-ṯāniya haben keine besonderen Festtage, außer lokaler Heiligenfeste. Im Raǧab, dem siebten Monat des muslimischen Kalenders, wird in einigen Gebieten, wie in der Türkei, die "Nacht der Empfängnis" des Propheten gefeiert, die zu Beginn dieses Monates stattgefunden hat. Von größerer Bedeutung ist die "Nacht der Himmelfahrt" (lailat al-mī'rāǧ), die am 27. Raǧab begangen wird. Es ist die Nacht der Himmelsreise des Propheten Muhammad, um die sich zahlreiche Legenden ranken, und die als Beweis für den außergewöhnlichen Rang des Propheten angesehen wird. In dieser Nacht wurden den MuslimInnen die täglichen fünf Pflichtgebete vorgeschrieben.9 Ob diese Himmelsreise wirklich körperlich stattgefunden hat oder eine rein spirituelle Erfahrung gewesen ist, darüber sind sich die Gelehrten nicht einig.10
Die "Nacht der Schuldvergebung" oder auch die "Nacht der Befreiung" (lailat al-barāt) ist die Nacht vom 14. auf den 15. Š'abān, dem achten Monat im islamischen Kalender. In dieser Nacht bitten die Gläubigen Gott um Vergebung ihrer Sünden. Einige Überlieferungen sagen, es ist die Nacht, in der die Engel, die alle Taten und Gedanken der Gläubigen aufschreiben, die Abrechnung für das vergangene Jahr vorlegen. In dieser Nacht sollte dreimal die 36. Sure des Koran (Yasin) rezitiert werden.11
Der Monat Ramaḍān ist der neunte Monat im islamischen Jahr, der Fastenmonat. In diesem Monat hat die Offenbarung an den Propheten begonnen. Der Koran (Sure 2:183-187) leitet die Muslime an, von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang zu fasten. Das heißt auf Essen, Trinken und Geschlechtsverkehr zu verzichten. Das Fasten gehört zu den fünf grundlegenden Pflichten des Islams. Der Ramaḍān ist aber auch der Monat des Gebens und der Vergebung, des intensiven Studiums des Korans, des persönlichen spirituellen Erlebens, aber auch der Gemeinschaft beim gemeinsamen Mahl und Gebet.12
Die "Nacht der Macht oder Nacht der Bestimmung" (lailat al-qadr) ist wohl die heiligste Nacht des Jahres und eine der "fünf heiligen Nächte" des Islams.13 Sie liegt in einer der fünf letzten, ungeraden Nächte im Ramaḍān. Offiziell feiert man gewöhnlich am 27. Ramaḍān. In dieser Nacht hat der Prophet Muhammad die erste Offenbarung erhalten, die ersten fünf Verse der 96. Sure des Korans.14 Der Tradition zufolge öffnet sich in dieser Nacht der Himmel und Engel kommen herab, weshalb Bittgebete, die in dieser Nacht gesprochen werden, im Besonderen in Erfüllung gehen.15
Es gibt im islamischen Jahr zwei Feste, die ihren Ursprung im Koran finden, diese sind das "Fest des Fastenbrechens" und das "Opferfest".
Das dreitägige "Fest des Fastenbrechens" (ʿīd al-Fiṭr), auch "Zuckerfest" oder das "kleine Fest" genannt, wird am ersten Šawwāl, dem zehnten Monat des islamischen Jahres, gefeiert und beginnt mit einem Festgebet. Es wird das Ende der einmonatigen Fastenzeit, des Ramaḍān, zelebriert.16 Der elfte und vorletzte Monat im muslimischen Kalender, der Ḏū l-qaʿda, hat keine besonderen Festtage aufzuweisen, es werden aber gern Hochzeiten in dieser Zeit gefeiert. Im Ḏū l-Ḥiǧǧa, dem zwölften und letzten Monat des Jahreskreises, steht die Pilgerfahrt im Mittelpunkt.17
Das "Opferfest" ('īd al-aḍḥā), auch "das große Fest" genannt, ist der heiligste Feiertag der Muslime. Er findet am zehnten Tag des zwölften Monats (Ḏū al-ḥiǧǧa) im islamischen Kalender statt und dauert vier Tage an. Gefeiert wird der rituelle Höhepunkt der Pilgerfahrt (Ḥaǧǧ). An diesem Tag verlassen die Pilger das Tal ʿArafāt und brechen auf in Richtung Mekka. Das Fest erinnert an die Bereitschaft Abrahams, Gott seinen Sohn zu opfern. Im Andenken an dieses Ereignis sollen Muslime, die über die Mittel verfügen, einen Schafbock opfern. In manchen Kulturen werden stattdessen auch Ziegen, Rinder oder Kamele verwendet.18 Anstelle eines Opfertieres kann im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten auch eine Geldspende geleistet werden.

1 Nach christlicher Zeitrechnung war das im Jahre 622.

2 Vgl. Susanne Heine/Rüdiger Lohlker/Richard Potz: Muslime in Österreich. Geschichte, Lebenswelt, Religion; Grundlagen für den Dialog, Innsbruck: Tyrolia-Verl. 2012, S. 157.

3 Vgl. Reinhard Kirste/Herbert Schultze/Udo Tworuschka: Die Feste der Religionen. Ein interreligiöser Kalender mit einer synoptischen Übersicht (= Gütersloher Taschenbücher GTB-Sachbuch, Band 771), Gütersloh: Gütersloher Verl.-Haus 1995, S. 63.

4 Vgl. Jamal J. Elias: Islam (= Religionen der Welt, Band 4824), Freiburg im Breisgau: Herder 2000, S. 123.

5 Vgl. S. Heine/R. Lohlker/R. Potz, S.157.

6 Vgl. R. Kirste/H. Schultze/U. Tworuschka, S. 66.

7 Vgl. S. Heine/R. Lohlker/R. Potz, S. 158.

8 Vgl. Annemarie Schimmel: "Traditionelle Frömmigkeit", in: W. M. Watt (Hg.), Islamische Kultur - Zeitgenössische Strömungen - Volksfrömmigkeit, Stuttgart: Kohlhammer 1990a, S. 242-267, S. 254.

9 Vgl. ebd., S. 255.

10 Vgl. Muhammad Asad: Die Botschaft des Koran, Ostfildern: Patmos-Verl. 2013, S. 1211.

11 Vgl. Annemarie Schimmel: Das islamische Jahr. Zeiten und Feste (= Beck'sche Reihe, Band 1441), München: Beck 2010b, S. 92f.

12 Vgl. S. Heine/R. Lohlker/R. Potz, S. 158.

13 Vgl. R. Kirste/H. Schultze/U. Tworuschka, S. 70.

14 Vgl. A. Schimmel, S. 96.

15 Vgl. S. Heine/R. Lohlker/R. Potz, S. 159.

16 Vgl. J. J. Elias, S. 123f.

17 Vgl. A. Schimmel, S. 256.

18 Vgl. J. J. Elias, S. 124f.

Asad, Muhammad: Die Botschaft des Koran, Ostfildern: Patmos-Verl. 2013.

Elias, Jamal J.: Islam (= Religionen der Welt, Band 4824), Freiburg im Breisgau: Herder 2000.

Heine, Susanne/Lohlker, Rüdiger/Potz, Richard: Muslime in Österreich. Geschichte, Lebenswelt, Religion; Grundlagen für den Dialog, Innsbruck: Tyrolia-Verl. 2012.

Kirste, Reinhard/Schultze, Herbert/Tworuschka, Udo: Die Feste der Religionen. Ein interreligiöser Kalender mit einer synoptischen Übersicht (= Gütersloher Taschenbücher GTB-Sachbuch, Band 771), Gütersloh: Gütersloher Verl.-Haus 1995.

Schimmel, Annemarie: "Traditionelle Frömmigkeit", in: W. M. Watt (Hg.), Islamische Kultur - Zeitgenössische Strömungen - Volksfrömmigkeit, Stuttgart: Kohlhammer 1990a, S. 242-267.

-: Das islamische Jahr. Zeiten und Feste (= Beck'sche Reihe, Band 1441), München: Beck 2010b.

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