„[…] und wenn ihr schlachtet, schlachtet recht.“ Über das Schlachten nach islamischem Ritus

Artikel 27.09.2017 Redaktionsteam

Dieser Text beschäftigt sich mit dem Thema des Schlachtens nach islamischem Ritus. Das österreichische Tierschutzgesetz erlaubt eine sogenannte rituelle Schlachtung ohne vorausgehende Betäubung einzig bei Vorliegen religiöser Gründe. Diese Ausnahmeregelung für Religionsgemeinschaften wird von TierschützerInnen abgelehnt, worauf im Text Bezug genommen wird. Im Anschluss wird ein Überblick über die rituelle sowie konventionelle Schlachtmethode gegeben und dabei auf das Thema Betäubung eingegangen, das von islamischer Seite nicht einheitlich beurteilt wird. Weiters geht es um die Frage, ob die Nennung Allahs vor der Schlachtung zwingend vorgeschrieben ist sowie um die islamischen Vorgaben im Umgang mit dem Schlachttier. Anschließend widmet sich der Text dem Thema Halal-Zertifikate in Österreich und schließt mit der Frage nach der islamisch-ethischen Vertretbarkeit von Massentierhaltung ab.


Das Schlachten nach islamischem Ritus, meist als rituelle Schlachtung oder Schächten bezeichnet, sorgt regelmäßig österreichweit und EU-weit für Kontroversen. Von Tierquälerei, von "wahren Blutorgien, von religiösen Schächtungen ohne jegliche Betäubung oft dutzender Tiere in irgendeinem Hinterhof oft im Rahmen religiöser Feste" ist die Rede.1 Solche Szenarien sind laut österreichischem Tierschutzgesetz (in Kraft seit 1. Jänner 2005) eindeutig verboten, denn in § 32. (4) heißt es: "Rituelle Schlachtungen dürfen nur in einer dafür eingerichteten und von der Behörde dafür zugelassenen Schlachtanlage durchgeführt werden".2

Tierschutzorganisationen sind gegen die in Österreich geltende Ausnahmeregelung für gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaften. Denn sie erlaubt, "rituelle Schlachtungen ohne vorausgehende Betäubung der Schlachttiere [...] auf Grund zwingender religiöser Gebote oder Verbote"3 durchzuführen, sofern eine behördliche Bewilligung dazu vorliegt und die "Tiere unmittelbar nach dem Eröffnen der Blutgefäße wirksam betäubt werden".4 Dieses sogenannte Post-Cut-Stunning, also die Betäubung nach dem Schnitt, sei nur eine Kompromisslösung, so Martin Balluch, Obmann des "Vereins Gegen Tierfabriken VGT". Doch sie verkürze wenigstens das Leiden der Rinder, die zur Erleichterung des Schächtschnitts in einer sogenannten Schächttrommel fixiert werden, was zu Panikreaktionen führe.5 Balluch warnt jedoch auch vor – beim Thema Schächten "plötzlich zu VorzeigetierschützerInnen" mutierten – VertreterInnen des rechten politischen Spektrums, die Tierschutzwerte als "Rechtfertigung für ihre Ausländerfeindlichkeit" missbrauchen würden.6 Er spricht sich im Namen des VGT "ganz klar gegen den Missbrauch von Tierschutz zu derartigen Zwecken und gegen Ausländerfeindlichkeit und Islamophobie aus!"7

Aus dem bisher Erwähnten ergeben sich mehrere Fragen: Wie läuft eine rituelle Schlachtung im Vergleich zu konventionellen Schlachtungen konkret ab? Was ist zur Frage der Betäubung zu sagen? Und welche sind die Vorgaben bzgl. des Umgangs mit den Schlachttieren in islamischer sowie tierschutzrechtlicher Hinsicht?

Der Begriff Schächten wird heute generell für die religiös-rituelle Schlachtung im jüdischen und muslimischen Kontext verwendet.8 Das Wort stammt ursprünglich aus dem Judentum, wo die Schlachtung nach streng definierten Regeln abläuft und ausnahmslos keine Betäubung zulässig ist.9 Aus islamischer Sicht ist die Schlachtmethode die gleiche, doch gibt es unter den Gelehrten unterschiedliche Ansichten im Zusammenhang mit der Betäubung, worauf noch einzugehen ist. Beim Schächten erfolgt der Tod des Tieres durch Ausbluten nach dem Kehlschnitt, bei dem Luftröhre, Speiseröhre und die Halsarterien durchtrennt werden.10 Infolge des Blutsturzes kommt es zu einer Betäubung des Tieres.11

Bei konventionellen (nicht-rituellen) Schlachtungen, die laut Tierschutzgesetz ausschließlich unter vorhergehender Betäubung zu erfolgen haben12, tritt der Tod, wie beim Schächten, ebenfalls durch Entbluten ein, indem beide Halsschlagadern bzw. die entsprechenden Hauptblutgefäße durch Kehlschnitt oder Brustschnitt geöffnet werden. Dies muss jedenfalls erfolgen, solange die Tiere noch empfindungs- und wahrnehmungsunfähig sind. Mit dem eintretenden starken Blutverlust (Schwallblutung) wird die Sauerstoffversorgung des Gehirns unterbrochen.13

Hinsichtlich der Methode scheint es zwischen ritueller und nicht-ritueller Schlachtung keinen Unterschied zu geben, denn der Tod der Schlachttiere tritt bei beiden durch das Entbluten ein, egal ob durch Kehlschnitt oder durch Brustschnitt. Doch bleiben weitere Fragen zu klären, wie jene nach der Betäubung.

Heutige Experten sind sich uneinig, "ob lege artis durchgeführte Schächtungen tatsächlich mit größeren Schmerzen verbunden sind als andere Schlachtmethoden",14 zumal auch die Betäubung selbst Schmerzen verursacht, sei es mittels Stromstoß oder Bolzenschussmethode, bei der ein Metallbolzen mittels Druckluft durch den Schädel ins Gehirn des Tieres eindringt oder auf dieses aufschlägt. Jedoch hat diese Betäubungsart, korrekt durchgeführt, innerhalb von zwei Millisekunden die Bewusstlosigkeit des Tieres zur Folge.15 Andererseits kommt es in den Schlachthöfen mit ihrer Massenabfertigung von Tieren nicht selten zu Fehlbetäubungen, in Deutschland betrifft dies bis zu sieben Prozent.16 Infolgedessen erleben die Tiere den weiteren Ablauf im Schlachthof bei Bewusstsein.

Laut Tierschutzgesetz muss bei rituellen Schlachtungen unmittelbar nach dem Schächtschnitt betäubt werden, was die Frage aufwirft, welchen Unterschied es machen würde, direkt vor dem Schnitt zu betäuben. In Koran und Sunna wird die Betäubung nicht thematisiert, somit liegt die Entscheidung bei den Rechtsgelehrten, die sich in dieser Sache jedoch uneinig sind. Allgemein sieht man das Verbot einer Betäubung bzw. das Verbot einer "todbringenden Betäubung" (Mathias Rohe17) als kennzeichnend für die rituelle Schächtung an, wie es im jüdischen Kontext ja auch der Fall ist. Für den deutschen Zentralrat der Muslime (ZMD) etwa und den europäischen Fatwa-Rat (EFC) ist das betäubungslose Schlachten zwingender Bestandteil der Religionsausübung, was der Islamwissenschaftler Manfred Götz per Gutachten bestätigte. Andererseits werden in einem Rechtsgutachten des ägyptischen Fatwa-Rates moderne Betäubungsmethoden, die nicht zum Tod führen, erlaubt.18 Schließt man sich der zweiten Meinung an, kann man aus muslimischer Sicht folgern, dass es eigentlich keiner eigens durchgeführten rituellen Schlachtung bedarf.

Allerdings ist noch der folgende Punkt zu berücksichtigen: Gemäß dem Koran soll das Schlachten im Namen Gottes geschehen (Koran 6:118): "Esst von dem, worüber der Name Gottes ausgesprochen worden ist, so ihr an seine Zeichen glaubt."19 Dies geschieht vor dem Schlachten meist mit den Worten Bismillah! Allahu akbar! (dt. Mit dem Namen Allahs! Allah ist größer!). In den Schlachthöfen wird in der Praxis anscheinend diese sog. Basmala pauschal beim Ein- und Ausschalten der Maschinen gesprochen anstatt bei jedem einzelnen Tier bzw. läuft eine Tonbandaufnahme mit diesen Worten, die in wieder anderen Fällen stattdessen auf den zur Schlachtung benutzten Messern eingraviert sind.20

Abgesehen von der Sinnhaftigkeit dieser Praktiken stellt sich die Frage, ob die Nennung der Basmala rechtlich verpflichtend ist, sofern es sich nicht um die Schlachtung eines Opfertieres handelt wie etwa anlässlich des Opferfestes (ʿīdu l-aḍḥā). Laut Koran 5:5 ist MuslimInnen auch Fleisch zu essen erlaubt, das von Jüdinnen/Juden und ChristInnen geschlachtet wurde, wobei die Basmala nicht genannt würde. Auch nach Ansicht von Muḥammad Rašīd Riḍā (gest. 1935), einem Reformdenker, der nicht als besonders liberal eingestuft werden kann, gilt diesbezüglich einzig die Bedingung, dass das Fleisch, sofern es nicht von ohnehin für den Verzehr verbotenen Tieren wie dem Schwein stammt, nicht von Tieren stammen darf, die von Polytheisten deren Göttern geopfert wurden.21 Folgt man dieser Argumentation, wonach die Nennung der Basmala nicht verpflichtend ist, sowie der bereits erwähnten Ansicht des ägyptischen Fatwa-Rates hinsichtlich der Erlaubnis einer Betäubung vor der Schlachtung, wäre in heimischen Schlachthöfen produziertes Fleisch als halal anzusehen. Dies angesichts der Tatsache, dass die Tiere wie bei der rituellen Schlachtung durch Entblutung sterben. Dennoch ist die Nennung der Basmala vor der Schlachtung mehrheitlich im muslimischen Denken als Bedingung verhaftet, wobei auch der Aspekt eine Rolle spielen wird, nur mit Allahs Erlaubnis dem Tier das Leben nehmen zu dürfen. Von staatlicher Seite wird diese Haltung anerkannt, indem sie die rituelle Schächtung zulässt, anstatt ein Verbot, begründet mit einer der möglichen muslimischen Auslegungen, zu erlassen. Nach Meinung des deutschen Juristen Mathias Rohe stünde es dem Staat auch gar nicht zu, bei "unterschiedlichen religiösen Lehrmeinungen im Sinne der einen oder anderen Partei zu entscheiden."22

Abgesehen von solchen Fragen sollte beim Thema Schlachtung unbedingt auch auf die ethischen Aspekte eingegangen werden. Aus islamischer Sicht werden Tiere als Lebewesen und Mitgeschöpfe betrachtet, für die der Mensch Verantwortung trägt und denen er gute Behandlung schuldet.23 Dieser Standpunkt entspricht dem Paragraphen 1 des österreichischen Tierschutzgesetzes.24 Gleichzeitig darf der Mensch aber auch Nutzen aus den Tieren ziehen, etwa in Form von Ernährung und Bekleidung oder Reit- und Lasttieren. Tiere dürfen jedoch nicht grundlos getötet werden, sondern nur zur Abwendung einer von ihnen ausgehenden Gefahr oder zur Nahrungsbeschaffung.25

Bezüglich der Behandlung des Tieres vor und während dem Schlachtvorgang gelten traditionell bestimmte Regeln. In einem Hadith heißt es: "Allah hat das Beste für jede Sache vorgeschrieben. Wenn ihr nun tötet, tötet recht, und wenn ihr schlachtet, schlachtet recht. So soll ein jeder von euch seine Klinge schärfen und sein Opfer zur Ruhe bringen."26 Dies bedeutet, dass das Tier so schnell, stressfrei und schmerzfrei wie möglich geschlachtet werden soll, was wiederum der Zielsetzung des österreichischen Tierschutzgesetzes entspricht.27 Hinsichtlich der Schlachtung gelten aus islamischer Sicht unter anderem folgende Richtlinien:28

• Das Tier soll vor dem Schlachten gefüttert und getränkt werden.

• Das Tier soll nicht im Beisein anderer Tiere geschlachtet werden.

• Das Blut sollte entfernt sein, wenn das nächste Tier gebracht wird.

• Das Messer sollte so scharf wie möglich sein, damit der Schnitt kurz und schmerzlos erfolgt.

• Das Messer sollte nicht vor dem Tier geschliffen werden.

• Der Kopf sollte nicht vom Rest des Körpers getrennt werden.

• Das Tier sollte nicht betäubt werden.

Lediglich dieser letzte Punkt wird wie gesagt unterschiedlich beurteilt.

Im Zusammenhang mit ritueller Schlachtung steht die Zertifizierung solcherart produzierten Fleisches mit einem Halal-Siegel. Gemäß der Tierschutz-Schlachtverordnung von 2004 hat in Österreich allein die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) als offizielle Vertretung der MuslimInnen das Zertifizierungsrecht bei religiösen Schlachtungen.29 Doch auch das Islamische Informations- und Dokumentationszentrum (IIDZ), kein Mitglied der IGGiÖ, vergibt Zertifikate. Dies ist möglich, weil das IIDZ gemäß der ON-Regel 142000 zertifiziert, die die Schlachtung unter Betäubung zulässt, "solange sie nicht zum Herzstillstand führt, bevor der Tod durch Entbluten eingetreten ist."30 Solche Schlachtungen gelten aber, eben aufgrund der Betäubung vor dem Schächtschnitt, nicht als religiöse Schlachtungen und bedürfen somit nicht einer Zertifizierung durch die IGGiÖ.31 Die ON-Regel 142000 wurde übrigens unter Mitwirkung des IIDZ entwickelt,32 das als Mitglied im "World Halal Forum" über internationale Kontakte verfügt und in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Singapur, Malaysia und der Türkei akkreditiert ist.33 Interessant sind Halal-Zertifikate nicht nur für muslimische VerbraucherInnen in Österreich, sondern besonders auch für Unternehmen, die etwa in die Golfstaaten exportieren wollen.34 Denn der "Halal-Markt" ist ein wachsender, milliardenschwerer Markt.

In Österreich vergeben also zwei konkurrierende Organisationen die Zertifikate für halal-konform geschlachtetes Fleisch, und diese sind mit finanziellen Interessen verbunden. Die muslimische Konsumentenschaft indes scheint sich auf keines der Zertifikate wirklich verlassen zu können. Bei einem Lokalaugenschein in Wien ist von mangelnden Kontrollen, Missbrauch und Betrügereien die Rede, von zugekauftem, fälschlicherweise als halal-konform ausgegebenem Fleisch, von fehlender Reinigung der Produktionsmaschinen im Schlachthof nach der Verarbeitung von Schweinefleisch sowie von selbstgebastelten Zertifikaten.35

Angesichts solcher Unsicherheiten sowie besonders aufgrund der Fragwürdigkeit von Massentierhaltung aus ethisch-islamischer Sicht gibt es eine zwar geringe, doch wachsende Zahl von MuslimInnen, die sich für eine vegetarische Lebensweise entscheiden. Auch wenn Fleischkonsum im Islam nicht verboten ist, wird vor einem Übermaß gewarnt, wie der folgende Ausspruch des Kalifen ʿUmar (gest. 644) verdeutlicht: "Hütet euch vor dem Fleisch, denn davon kommt eine Gier wie beim Wein."36 Dies und das Beispiel des Propheten hinsichtlich seines barmherzigen Umgangs mit Tieren kann als Motivation dienen, den unkritischen und übermäßigen Fleischkonsum auch unter MuslimInnen zu überdenken und andere Wege zu gehen. Biologische Landwirtschaft mit artgerechter Tierhaltung und auch aus ethischer Sicht islamkonforme Möglichkeiten zur Schlachtung sollten das Ziel sein. Rechtsgelehrte und religiöse Autoritäten sind hier gefordert, klare Richtlinien zu diesen aktuellen Fragen zu erstellen.

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