Die Kunst der Islamischen Kalligraphie

Artikel 22.01.2024 Redaktionsteam

Dieser Beitrag handelt von der Islamischen Kalligraphie. Anfangs werden Elemente dieser Kunstform dargestellt, während im Anschluss eine kurze geschichtliche Darstellung folgt. Abschließend geht der Beitrag auf den Einsatz der Kalligraphie im Koran und in Moscheen ein.


Merkmale der Islamischen Kalligraphie

Bis heute hat die Islamische Kalligraphie aufgrund ihrer ästhetischen Komplexität und ihres religiösen Bezugs einen besonderen Stellenwert innerhalb der islamischen Kultur bewahrt.1

„Als eine menschliche Aktivität, die nach Schönheit strebt und diese auf eigene Art und Weise auch hervorbringt, wird sie als eine ausgezeichnete Kunstgattung der klassischen islamischen Kunst verstanden.“2

Die Islamische Kalligraphie, auch „arabische Kalligraphie“ oder „Kunst des schönen Schreibens“ genannt, wird weltweit praktiziert und hat besonders in den letzten Jahren hohe Beliebtheit erlangt. Sie gehört zu einer der wichtigsten Künste des Islams. Dabei wird die arabische Schrift, die oftmals religiösen Inhalts ist, durch bestimmte Schriftarten ästhetisch verziert.

Arabisch wird von rechts nach links geschrieben. Die kleinen Zeichen, die über und unter den Buchstaben erscheinen – sog. diakritische Zeichen – kennzeichnen Vokallaute, Silben und Doppelbuchstaben und werden in einigen Formen der Kalligraphie weggelassen. Außerdem können Buchstaben unterschiedlich geformt sein. Die kunstvolle Ausformung der arabischen Schriftzeichen führt teilweise dazu, dass die Schrift nur schwer lesbar ist. Dies wird jedoch nicht als problematisch angesehen, da die Kalligraphie eher dem ästhetischen Genuss als der leichten Lesbarkeit dient.

Da aus traditioneller Sicht die Meinung eines Bilderverbots im Islam vorherrscht, förderte die islamische Kultur die Entwicklung abstrakter, dekorativer Künste anstelle von Abbildungen von Mensch und Tier.

Islamische Kalligraphie ist Text und Kunst zugleich, sie kann daher auf mehreren Ebenen erlebt werden: einmal durch die Bedeutung des Textes und einmal durch die visuelle ästhetische Erfahrung. Ziel von KalligraphInnen ist es, die Form und Dimension der Buchstaben so zu gestalten, dass sie beiden Betrachtenden ein Gefühl der Harmonie hervorrufen.

Die Islamische Kalligraphie findet seit jeher Verwendung zur Verschönerung öffentlicher und privater Gegenstände, Räumlichkeiten und Bauwerke; sie reicht von winzigen Schriften im Koran und anderen Schrift- und Kunstwerken bis hin zu riesigen Textebändern an den Fassaden öffentlicher Gebäude und Moscheen.3

Die Entwicklung der Islamische Kalligraphie

Die Bedeutung der arabischen Sprache für den Islam geht auf die Offenbarung des Korans an den Gesandten Muhammed zurück. Der Gesandte übermittelte die Worte des Koran an sein Umfeld auf Arabisch. Mit der Verbreitung des Islams lernten MuslimInnen aus den verschiedensten Ländern den Koran zu lesen und zu rezitieren. Zusätzlich zu den Passagen aus dem Koran wurde die Islamische Kalligraphie auch auf islamischen Kunstwerken, bei religiösen Texten sowie Gedichten und Lobreden angewandt.4

Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Schriftarten entwickelt, die meistens auf die unterschiedlichen Kalligraphen in verschiedenen Regionen, zusammen mit den spezifischen Bedürfnissen ihrer Kunden, wie Dichtern und Regierungsbeamte, zurückzuführen sind. Dazu gehören beispielshaft die Schriftarten Kūfī, Nasḫ, Nastaliq, Muḥaqqaq, Ṯuluṯ, und Riqāʿ.5 Die älteste und bekannteste Schriftart ist dabei die Kūfī, die insbesondere Orientalisten beeindruckte, da sie auf alten Gewändern und Goldmünzen gefunden wurde. Es war üblich, Schriftarten nach Orten zu benennen, an denen sie erfunden und praktiziert wurden – im Fall der Kūfī-Schrift war der Ursprungsort Kūfa. Vermutlich wurde die Kūfī-Schrift unter dem vierten Kalifen ʿAlī ibn Abī Tālib (gest. 661) erstmals entwickelt und von ihm eingeführt. Außerdem war Kūfa ein wichtiges Zentrum der Schriftkunst und die politische Verbundenheit zu ʿAlī ibn Abī Tālib zu dieser Stadt verstärkt die Vermutung, dass ʿAlī als Gründer dieser Schriftart anzusehen ist. Die Kūfī -Schrift war später insbesondere im Osmanischen Reich weit verbreitet und findet sich, wenn auch in schlichterer Form, in vielen Koranen zur Gestaltung der Surentitel vor.

Eine weitere bekannte, aber schwer lesbare Schriftart ist „Quadratkūfī“ – eine Kūfī-Schrift, die beginnend links unten im Uhrzeigersinn spiralförmig zur Mitte verläuft.6

Islamische Kalligraphie im Koran und in Moscheen

„Da man ja den heiligen Text des Qur’an abschrieb, dieser aber das reine Wort Gottes repräsentiert, wurde nun auch der Akt des Schreibens selbst ein heiliger, und auch die Schrift als Handschrift ist als etwas Heiliges zu behandeln. Und darum muss man auch so schön wie nur irgend möglich schreiben, da man ja im Schreiben Teil des religiösen Universums wird, in diesem devoten Akt, der dann gleichsam als eine Art Meditation ausgeübt wird.“7

Die Islamische Kalligraphie findet unter anderem auch eine religiöse Begründung: Sie dient als Werkzeug der Schönheit, die aus islamischer Perspektive große Bedeutung hat. So soll beispielsweise der bekannte Ausspruch „Gott ist schön und liebt die Schönheit“ auf den Gesandten Muhammad zurückgehen.8 Die Ästhetik manifestiert sich im Islam als Ausdruck der göttlichen Wirklichkeit und Schönheit. Damit gewinnt sie auch eine spirituelle Dimension. Aufgrund dessen wird die Kunst, insbesondere die Kalligraphie zur Gestaltung des Korantextes, als etwas Wünschenswertes betrachtet. 9 „Die heilige Kunst des Kalligraphierens wird somit genauso wie die Kunst des Koranrezitierens zu einer ästhetischen Form der Offenbarungserfahrung.“10

Da sich MuslimInnen nicht nur der göttlichen Herkunft des Korans, sondern auch seiner linguistischen Ästhetik bewusst waren, wollten sie ihn in Schönschrift kopieren und gestalten. Es wird auch davon ausgegangen, dass durch die Verschriftlichung und ästhetische Gestaltung des Korans die Islamische Kalligraphie entstand. Somit hängt die arabische Kalligraphie direkt mit der islamischen Religion, genauer mit ihrer Offenbarung, zusammen.11

Darüber hinaus findet sich die Kalligraphie in verschiedenen Bereichen der islamischen Kultur, einschließlich der Moscheearchitektur. Kalligraphisch verzierte Schriftzüge und Ornamente schmücken das Innenleben vieler Moscheen, vor allem die Moscheewände. Da die arabische Schrift viele Möglichkeiten für die kalligrafische Gestaltung bietet, werden die Buchstaben manchmal selbst innerhalb eines einzigen Wortes auf zahlreiche Arten gedehnt und zu einem Motiv umgewandelt. Diese aus Schrift entstandenen Bilder nennt man Kalligramme.

Kalligraphische Verzierungen werden vor allem aufgrund des Bilderverbots im Kontext eines Gebetshauses eingesetzt.12

Fazit

Die Islamische Kalligraphie ist seit Jahrhunderten fester Bestandteil der islamischen Kunst und die ausdrucksstärkste Kunstform im islamischen Kontext. Die ästhetische Verzierung der arabischen Schrift bot die Möglichkeit, andere, bildhafte Kunstformen zu umgehen.

Die Islamische Kalligraphie lässt sich bis in die Zeit des Gesandten Muhammad zurückverfolgen; als sich der Islam über weite Gebiete ausbreitete, wurde die Kalligraphie mit der arabischen Sprache verflochten und diente neben der Bewahrung und Verbreitung des Korantextes auch der ästhetischen Gestaltung. Die Entwicklung verschiedener kalligrafischer Schriftformen begann mit dem Aufkommen der Kufischen Schrift.

Des Weiteren wird durch die Islamische Kalligraphie die Heiligkeit des Korans visuell-künstlerisch verkörpert. Der Prozess des Kalligraphierens erfordert höchste Präzision und die KalligraphInnen streben in der Regel danach, den religiösen Kontext ihres Kunstwerkes durch die Ästhetik so gut wie möglich auszudrücken.

1 Vgl. Raid Al-Daghistani: »Schrift, Schönheit, Spiritualität – Grundlinien einer mystischen Koranästhetik aus dem Geiste der Kalligraphie«, in: Religion und Ästhetik, Verlag Karl Alber 2021, S. 154-178, hier S. 159.

2 Ebd.

3 Vgl. Jean A. Graves/Eman Quotah/Ansley Simmons: »Islamic Calligraphy: Writing Toward the Light«, in: Art Education 72 (2019), S. 14-19, hier S. 15.

4 Vgl. ebd.

5 Vgl. Arabic calligraphy: A computational exploration 2001, S. 2.

6 Vgl. Annemarie Schimmel: Calligraphy and Islamic culture (= Hagop Kevorkian series on Near Eastern art and civilization), New York: New York Universtiy Press 1990, S. 3.

7 Marie A. Nauer: »Kalligraphie und Identität — Die Handschrift als Identitätsstifterin«, in: Marie A. Nauer (Hg.), Who are YOU? Identität im Spiegel der Handschrift. Beiträge zur psychoanalytischen Graphologie, Herbolzheim: Centaurus Verlag & Media 2016, S. 39-70, hier S. 50.

8 Vgl. Annemarie Schimmel: West-östliche Annäherungen. Europa in der Begegnung mit der islamischen Welt, Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer 1995, S. 84.

9 Vgl. R. Al-Daghistani: Schrift, Schönheit, Spiritualität – Grundlinien einer mystischen Koranästhetik aus dem Geiste der Kalligraphie, S. 160-161.

10 Ebd., S. 161.

11 Vgl. ebd., S. 158.

12 Vgl. Arabic calligraphy: A computational exploration, S. 2.

Graves, Jean A./Quotah, Eman/Simmons, Ansley: »Islamic Calligraphy: Writing Toward the Light«, in: Art Education 72 (2019), S. 14-19.

Schimmel, Annemarie: Calligraphy and Islamic culture (= Hagop Kevorkian series on Near Eastern art and civilization), New York: New York Universtiy Press 1990.

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