Islam in den Medien: Repräsentation, Stereotype und Meinungsbildung

Artikel 04.12.2023 Redaktionsteam

Der vorliegende Beitrag behandelt das Thema „Islam in den Medien“. Anfangs wird auf die Repräsentation des Islams in den traditionellen Medien eingegangen, wobei im Anschluss Vorurteile und Mediennarrative in Bezug auf den Islam beschrieben werden. Abschließend wird auf die Bedeutung der Sozialen Medien in dieser Thematik hingewiesen.


Darstellungen „des Islams“

Der gesellschaftliche Diskurs über die Religion des Islams wird oftmals von Medienbildern, das heißt Darstellungs-, Erzähl- und Deutungsmustern, beeinflusst, wodurch zu einer gewissen Meinungsbildung über den Islam beigetragen wird. Vorwiegend sind hierbei Darstellungen traditioneller Medien wie Fernsehen und Zeitung gemeint, da sie größtenteils bestimmen, was und auf welche Art öffentlich sichtbar wird.

Die mediale Darstellung des Islams ist meist negativ geprägt: Seit Jahren bestimmt ein alltagsfernes und zu Gewalt neigendes Islambild die Öffentlichkeit.1

Die Wahrnehmung „des“ Islam hat sich spätestens mit den Anschlägen in den USA verändert […]. Seitdem wird zwischen einem radikalen, moderaten, friedlichen, dialogoffenen, politischen usw. Islam unterschieden, deren Anhänger dann wahlweise gläubige Muslime oder Vertreter von Intoleranz, Gewalt, Bedrohung und Rückständigkeit sind.2

Neben den Anschlägen vom 11. September 2001 hat auch die dauerhafte Präsenz von MuslimInnen in Europa das Bedürfnis und Interesse nach Information über den Islam geweckt.3 Zudem haben zahlreiche Studien in den USA und in den europäischen Staaten mit Hilfe verschiedener Methoden islamophobe Tendenzen in der westlichen Medienberichterstattung erwiesen. Diese resultieren aus einer selektiven Wahrnehmung negativer Ereignisse und Entwicklungen, was ein typisches Merkmal eines „Feindbildes“ darstellt. Allerdings weisen die deutschen Mediendiskurse keine propagandistische Einheitlichkeit auf und es fehlt eine aggressive Handlungsdimension, weswegen im deutschsprachigen Raum nicht von einer Ausprägung des Feindbildbegriffs gesprochen werden kann.

Es wirken hier keine einzelnen Ursachen, sondern ein Geflecht von Einflüssen, die das heutige Medienbild des Islams prägen. Dazu gehören kulturell erlernte Stereotype, aber auch Routinen und Interessen der Medien mit politischen und gesellschaftlichen Systemumwelten.4

Stereotype und Vorurteile

Im Kontext der Meinungsbildung ist der in der Soziopsychologie häufig verwendete Begriff des „Stereotyps“ von Bedeutung.Stereotype sind „eine Reihe von Überzeugungen über die Merkmale der Mitglieder einer sozialen Gruppe. Die Definitionen unterscheiden sich darin, ob Stereotype als ‚schlecht‘ bzw. ‚negativ‘ angesehen werden sollten.“6

Während Stereotype sowohl positiv als auch negativ bestimmt sein können, bezeichnen Vorurteile meist eine negative Haltung gegenüber Personen, Gruppen oder Sachverhalte, die weniger auf direkte Erfahrung, sondern viel mehr auf eine Generalisierung zurückzuführen ist. Demnach werden beispielsweise einzelne, personenbezogene Ereignisse auf die Gesamtheit einer Personengruppe bezogen, aus der diese Person kommt.7

„Seit dem 11. September ist eine Zunahme an expliziten Schuldzuweisungen gegenüberMuslimen für verschiedenste Untaten zu beobachten. [...] Eine effektive Technik der Verknüpfung unterschiedlichster Bereiche stellt der so genannte ‚Sinn-Induktionsschnitt der Filmtechnik‘ dar […] Durch diesen Schnitt werden etwa Bilder einer Explosion und einer Moschee direkt hintereinander präsentiert. Explizit wird nicht begründet, warum hier implizit und in aller unbemerkten Schnelligkeit die Themen Anschlag und Islam miteinander verknüpft werden.“8

Neben bestimmten Filmtechniken wird auch bei den Printmedien von der Sinninduktion Gebrauch gemacht, indem Bilder mit Texten ohne explizite Erklärung miteinander verbunden werden. Hierbei sind es vor allem religiöse Symbole wie Moscheen, Gebete oder das Kopftuch, die für die Anwendung bestimmter Vorurteile genutzt werden. Durch den Gebrauch gezielter Symbole wird eine bildliche Darstellungstradition entwickelt, die nach Schiffer9 „kaum noch kritisch reflektiert wird und zur Verschränkung der Konzepte Islam und Islamismus beiträgt“.10

Durch die Sinninduktion können negative Bilder auf die Religion projiziert werden, was Vorurteile und verfälschte Darstellungen zur Folge hat. In Wahrheit geht es meist um gewisse Handlungsweisen in den Traditionen und Kulturen bestimmter islamisch geprägter Länder, Gewohnheiten bestimmter Personengruppen oder Störungen einzelner Menschen, weswegen Vorurteile auch selten durch die Quellen des Islams erklärt werden können.11

Narrative im Mediendiskurs „Islam“

Nachdem auf die allgemeine Darstellung und Vorurteile gegenüber dem Islam in den Medien eingegangen wurde, soll es nun um den Aspekt der Narrative im Mediendiskurs „Islam“ gehen. Es werden also jene Erzählungen vorgestellt, die sich im Mediendiskurs mit dem Islam auseinandersetzen. Herausgearbeitet wurden die folgenden sechs prägenden Narrative aus der Berichterstattung der Tagesthemen im Zeitraum von 1979 bis 2010: 1. Der Aufstieg des Fundamentalismus, 2. Der Niedergang des alten Orients, 3. Der „Clash of Civilizations“, 4. Der islamistische Terrorismus, 5. Das Problem der Integration und 6. Die Diskriminierung der Muslime.

Nach Tim Karis, Autor des Buches „Mediendiskurs Islam“, lassen sich diese sechs Narrative in drei Gruppen unterteilen: Narrative 1 und 2 erzählen von politischen und sozialen Entwicklungen in muslimisch geprägten Ländern und den Auswirkungen auf diese Länder.12 Durch das Narrativ 1 wurde zudem erstmals die Unterscheidung zwischen „radikalen“ und „gemäßigten“ MuslimInnen sehr präsent. Die Diskriminierung beginne nach Karis bereits damit, dass einer Bevölkerungsgruppe eine binäre Unterteilbarkeit unterstellt wird. Denn die Radikal/gemäßigt-Unterscheidung würde von MuslimInnen regelmäßig verlangen, sich als Teil einer der beiden Gruppen zu sehen.13

In den Narrativen 3 und 4 ist von Konflikten die Rede, die entstanden seien, als die „islamische Welt“ in Konfrontation mit dem Westen tritt.14 Mit „The Clash of Civilizations“ (Kampf der Kulturen) ist das gleichnamige Buch von Samuel Phillips Huntington (gest. 2008) gemeint, welches im Kern behauptet, dass nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes die Weltpolitik multikulturell geworden sei und der Westen sich nicht als einzig modernisierter Kulturraum betrachten sollte.15

Narrative 5 und 6 sprechen schließlich von der Einwanderung einer Vielzahl von MuslimInnen in westliche Länder und den daraus resultierenden Herausforderungen.16

Islam in den Sozialen Medien

Nachdem sich dieser Beitrag bisher auf die Darstellungen des Islams in den traditionellen Medien konzentrierte, sollten die heute wohl meistgenutzten Medien – die Sozialen Medien oder Social Media – nicht außer Acht gelassen werden. Jüngste Erkenntnisse zeigen, dass soziale Medienplattformen als wichtige Kanäle für die Verbreitung von Informationen und kulturellen Wahrnehmungen dienen. Zudem zeigen Studien, dass vor allem junge Menschen Online-Medienquellen für ihren Nachrichtenkonsum bevorzugen.17 Die Sozialen Medien ermöglichen es NutzerInnen, ihre persönlichen Ansichten in politischen, sozialen und religiösen Diskursen zu teilen. Dadurch können zum Beispiel Einzelpersonen und Gruppen ein verzerrtes Bild von MuslimInnen auf den Sozialen Medien verbreiten. Auf der anderen Seite versuchen Prediger Informationen über den Islam zu liefern, die jedoch aufgrund oftmals mangelnder Ausbildung und Verbreitung von Falschinformationen mit Vorsicht zu genießen  bzw. irreführend sind.

Die Sozialen Medien bergen allerdings auch das Potenzial, verfälschte Bilder über den Islam aufzulösen und Vorurteile zu beseitigen. In einer Forschungsstudie über die Darstellung des Islams in den Sozialen Medien wurden fünf Themen identifiziert, die zur Darstellung des Islams in den Sozialen Medien beitragen:

1. Der Islam als liberale Religion; es sind Versuche seitens MuslimInnen zu erkennen, Vorurteilen entgegenzutreten, indem liberale und moderne Interpretationen zusammen mit traditionellen islamischen Lehren vereint werden. Ein bekanntes Beispiel für dieses Thema ist die Bedeutung des Kopftuchs; viele muslimische Frauen positionieren ihre eigene Meinung bezüglich des Kopftuchs in den Sozialen Medien und konstruieren damit eine eigene individuelle Bedeutung für ihre Kleidungswahl.

2. Der Islam als eine Religion von Extremismus und Terrorismus

3. Der Islam als eine Religion der Geschlechterdiskriminierung

4. Der Islam als Religion kollektiver Identität; hiermit ist die Identitätsentwicklung- und verteidigung von MuslimInnen gegen Stereotypisierungen gemeint.

5. Der Islam als menschenwürdige Religion; Informationen über die islamische Ethik finden immer mehr Raum in den Sozialen Medien. Hierbei geht es darum, dass die Gestaltung des Lebens von MuslimInnen im Sinne des Grundgedankens des Islams und zum Wohle der Menschheit geschehen sollte, was auch bedeutet, dass MuslimInnen allen Menschen gegenüber mit Freundlichkeit begegnen sollten. Die Sozialen Medien spielen hierfür eine große Rolle, indem sie dafür genutzt werden können, diese Gedanken zu verbreiten und damit die Verbindung von Islam und Extremismus zu bekämpfen.18

Mit Ausnahme von den Themen 2 und 3 wird deutlich, dass die Sozialen Medien tatsächlich ein positiveres Abbild des Islams verbreiten als die traditionellen Medien und dass MuslimInnen sie deswegen auch als Verteidigung gegen entstandene Vorurteile gebrauchen.

Fazit

Der Einfluss der Medien auf die Meinungsbildung über den Islam ist sehr stark. Dabei ist die mediale Darstellung des Islams oftmals negativ und von Stereotypen geprägt, was zu Vorurteilen und Falschinformationen über den Islam und MuslimInnen führt. Insbesondere die Ereignisse ab dem 11. September haben die Wahrnehmung des Islams weltweit verändert und zu einer Unterscheidung zwischen verschiedenen Strömungen geführt. Oft verwendete Narrative mit direktem Bezug zum Islam wurden in sechs Themen zusammengefasst, wobei im Fokus der islamistische Terrorismus, die Beziehung zwischen Osten und Westen sowie die Integration von MuslimInnen stehen. Aufgrund dieses stark einseitig negativen Islambilds besteht die Notwendigkeit, Medien kritisch zu hinterfragen, um eine ausgewogene und authentische Darstellung der Religion zu erreichen.

Die Sozialen Medien dienen insbesondere jungen Menschen als wichtige Informationsquelle und können Vorurteile über den Islam verstärken, jedoch auch bekämpfen, indem seitens der MuslimInnen ein rationales Islambild verteidigt wird, das großen Wert auf Menschlichkeit und das Allgemeinwohl aller Menschen legt.

1Vgl. Siegfried Jäger: BrandSätze. Rassismus im Alltag (= DISS-Studien), Duisburg: DISS 1996, S. 171.

2 Vgl. Klaus Spenlen: Gehört der Islam zu Deutschland?, De Gruyter 2021, S. 99.

3 Vgl. ebd.

4 Vgl. Thorsten G. Schneiders (Hg.): Islamfeindlichkeit. Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen, VS Verlag für Sozialwissenschaften 2009, S. 100-101.

5 Vgl. ebd., S. 101.

6 Stereotype 2014, www.spektrum.de/lexikon/psychologie/stereotype/14836 vom 21.09.2023.

7 Vgl. Vorurteile 2014, www.spektrum.de/lexikon/psychologie/vorurteile/16528 vom 21.09.2023.

8 Sabine Schiffer: Der Islam der Medien: ein Beitrag der Medienpädagogik zur Rassismusforschung 2005, S. 2.

9 Vgl. ebd., S. 3.

10 Ebd.

11 Vgl. ebd., S. 3-4.

12 Vgl. Tim Karis: Mediendiskurs Islam. Narrative in der Berichterstattung der Tagesthemen 1979-2010 (= SpringerLink Bücher), Wiesbaden: Springer VS 2013, S. 159.

13 Vgl. ebd., S. 312-315.

14 Vgl. ebd., S. 159.

15 Vgl. Simone Dietz: Information Philosophie - Simone Dietz: Kulturphilosohie: Kampf der Kulturen? Über Huntingtons These 2023, www.information-philosophie.de vom 21.09.2023.

16 Vgl. T. Karis: Mediendiskurs Islam, S. 159.

17 Vgl. Saifuddin Ahmed/Jörg Matthes: »Media representation of Muslims and Islam from 2000 to 2015: A meta-analysis«, in: International Communication Gazette (2017), S. 219-244, hier S. 238.

18 Vgl.Umair M. Hashmi/Radzuwan A. Rashid/Mohd K. Ahmad: »The representation of Islam within social media: a systematic review«, in: Information, Communication & Society 24 (2021), S. 1962-1981, hier S. 1963-1977.

Hashmi, Umair M./Rashid, Radzuwan A./Ahmad, Mohd K.: »The representation of Islam within social media: a systematic review«, in: Information, Communication & Society 24 (2021), S. 1962-1981.

Karis, Tim: Mediendiskurs Islam. Narrative in der Berichterstattung der Tagesthemen 1979-2010 (= SpringerLink Bücher), Wiesbaden: Springer VS 2013.

Schiffer, Sabine: Der Islam der Medien: ein Beitrag der Medienpädagogik zur Rassismusforschung 2005.

X

Wir verwenden Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige sind notwendig, während andere uns helfen, diese Website und Ihre Erfahrung zu verbessern.