Weibliche Persönlichkeiten im Koran

Artikel 25.04.2022 Redaktionsteam

Dieser Artikel handelt von weiblichen Persönlichkeiten im Koran. Es werden Frauen porträtiert, die im Koran in unterschiedlichen Kontexten erwähnt werden. Maria (Maryam) wird nicht thematisiert, weil hierzu ein eigenständiger Beitrag auf Islamportal.at existiert.


Eva, die Frau Adams

Eva (arab. Hawāʾ) kommt im Koran in unterschiedlichen Suren vor, wobei sie jedoch in keiner namentlich genannt wird.1 Sie hat keine eigenständige Geschichte, sondern kommt stets nur im Zusammenhang mit Adam (arab. Ādam) vor. Laut Nöldeke findet Eva in Sure 20 zum ersten Mal Erwähnung.2 Darin heißt es: „und daraufhin sagten Wir: »O Adam! Wahrlich, dies ist ein Feind für dich und deine Ehefrau: so lasse ihn nicht euch beide aus diesem Garten vertreiben und dich unglücklich machen.«“3 (Koran 20:117) Was die Erschaffung der Frau anbelangt, für die Eva metaphorisch steht, finden sich zwei unterschiedliche Ansichten. Zum einen gibt es die klassische Ansicht, wonach Eva aus Adam selbst erschaffen worden sei. Nach zeitgenössischen Koranauslegungen wird die Meinung vertreten, dass sowohl Adam als auch Eva, welche stellvertretend für Mann und Frau fungieren, aus derselben Substanz erschaffen wurden.4 Letztere Ansicht vertritt auch Muhammad Asad, der den Koranvers über die Erschaffung der Menschen folgendermaßen übersetzt: „O Menschheit! Seid euch eures Erhalters bewußt, der euch aus einer einzigen lebenden Wesenheit erschaffen hat und aus ihr Partnerwesen erschuf und aus den beiden eine Vielzahl von Männern und Frauen verbreitete. […]“5 (Koran 4:1)

Zulaikha, die Frau von Aziz

Die Geschichte von Zulaikha findet sich in Sure 12. Die nach Josef (arab. Yūsuf) benannte Sure schildert ab Vers 19 bis Vers 35 das Verhältnis zwischen Josef und Zulaikha. Nachdem Zulaikhas Ehemann ʿAzīz (vgl. der biblische Potifar) den jungen Josef aufnimmt, befiehlt er seiner Gattin, diesen gastfreundlich zu behandeln. Einige Jahre später, nachdem Josef eine gewisse körperliche und geistige Reife erlangt hatte, entwickelt seine Herrin Gefühle für ihn und versucht ihn zu verführen. In Koran 12:23 heißt es: „Und (so begab es sich, daß) sie, in deren Haus er lebte, (eine Leidenschaft für ihn hegte und) suchte, ihn zu bewegen, sich ihr hinzugeben; und sie verriegelte die Türen und sagte: »Komm du zu mir!« (Aber Josef) antwortete: »Möge Gott mich bewahren! Siehe, gefällig hat mein Herr meinen Aufenthalt (in diesem Haus) gemacht! Wahrlich, zu keinem guten Ende kommen diejenigen, die (solches) Unrecht tun!«“6

Als Josef das Zimmer verlassen wollte, ergriff ihn Zulaikha von hinten an seinem Hemd, das dabei zerriss. An der Tür stand jedoch der Hausherr ʿAzīz und so sagte Zulaikha: „[…] »Was sollte die Strafe für einen sein, der üble Absichten hinsichtlich (der Tugend) deiner Frau hatte – (was) außer Gefängnis oder eine (noch) schmerzlichere Strafe?«“7 (Koran 12:25) Als sich daraufhin Josef verteidigte, schlug ein Bediensteter vor, dass, sollte das Hemd Josefs von vorne zerrissen sein, Zulaikha die Wahrheit spreche. Sofern das Hemd aber von hinten zerrissen sei, so sage Josef die Wahrheit. Als ʿAzīz sah, dass Josefs Hemd von hinten zerrissen war, sprach er ihn frei und trug Zulaikha auf, um Vergebung für ihre Sünde zu bitten.

Es wird überliefert, dass Josef die Hälfte aller Schönheit auf der Welt besessen habe,8 wodurch die Herrin verführt worden sei. Andere Überlieferungen sprechen aber davon, dass sich auch bei Josef eine Leidenschaft für Zulaikha entwickelt hatte, er dieser aber standhalten konnte und aufrichtig geblieben sei.9

Die Ehefrauen der Propheten Noah und Lot

Die Geschichten der Ehefrauen der Propheten Noah und Lot im Koran sind Beispiele für weibliche Rebellion. Erwähnung finden die beiden Frauen in Sure 66, al-Taḥrīm (Verbot), in der es hauptsächlich um das Verhältnis des Propheten zu seinen Frauen geht. Exemplarisch werden darin Frauen erwähnt, deren Geschichten den Gläubigen als Beispiel dienen sollen. Die Frauen der Propheten Noah und Lot kommen im zehnten Vers der Sure vor, werden jedoch nicht namentlich genannt. Darin heißt es: „Für jene, die darauf aus sind, die Wahrheit zu leugnen, hat Gott ein Gleichnis in (den Geschichten von) Noahs Ehefrau und Lots Ehefrau vorgelegt: sie waren mit zwei Unserer rechtschaffenen Diener verheiratet, und jede von ihnen verriet ihren Ehemann; und keiner dieser beiden (Ehemänner) wird diesen beiden Frauen vor Gott von irgendwelchem Nutzen sein, wenn ihnen (am Gerichtstag) gesagt wird: »Geht ein ins Feuer mit all jenen (anderen Sündern), die in es eingehen!«“10

Bei diesem Vers lässt sich zum einen feststellen, dass die koranische Botschaft keine Ausnahmen für Familienangehörige von Propheten macht, sondern für alle in gleicher Weise gültig ist. Zum anderen wird die Entscheidungsfreiheit deutlich, denn jedes Individuum ist unabhängig von seinem gesellschaftlichen Status in der Lage und verantwortlich, selbst Entscheidungen zu treffen, so auch die Frauen von Noah und Lot. Seyyed Hossein Nasr ist weiters der Ansicht, dass diese letzten drei Koranverse (66:10-13) „ein Beispiel für alle Gläubigen geben, indem sie verdeutlichen, dass die Rechtschaffenheit eines anderen nicht demjenigen nützt, der Korruption betreibt und dass die Korruption eines anderen nicht demjenigen schadet, der rechtschaffen ist.”11

Lots Ehefrau und ihr Verhalten gegenüber ihrem Ehemann findet auch in weiteren Koranversen Erwähnung, darunter Koran 7:83 und 11:81. Noahs Ehefrau, die ihren Ehemann als verrückt bezeichnet haben soll,12 kommt hingegen nur im erwähnten Koranvers vor. Beide galten aufgrund ihres Verhaltens als Ungläubige,13 trotz der Tatsache, dass sie Ehefrauen der Propheten waren. 

Weitere weibliche Persönlichkeiten, die der Koran erwähnt

Auch die Frau des Propheten Abraham (arab. Ibrāhīm) wird in Koran 11:71 f. und 51:29 kurz erwähnt, nämlich im Zusammenhang mit ihrer Freude, nachdem sie unerwartet schwanger geworden ist. Es wird überliefert, dass sie damals 99 Jahre alt gewesen sei, während Abraham in seinem 120. Lebensjahr war.14

Die Königin von Saba, in der arabischen Literatur auch als Bilqīs bekannt, kommt in Koran 27:23-44 vor. Sie gilt als einflussreiche Herrscherin zur Zeit des Propheten Salomon (arab. Sulaimān). In der koranischen Auslegung verkörpert sie eine intelligente und fast schon mysteriöse Persönlichkeit, der „(die Fülle) von allen (guten) Dingen gegeben“15 wurde. Im Koran wird die Geschichte von Salomon und der Königin von Saba in märchenhaft mysteriöser Weise erzählt, so erfolgt beispielsweise der Briefaustausch zwischen den beiden mithilfe eines Wiedehopfs. Anschließend macht sich die Königin von Saba auf den Weg zu Salomon, während dieser durch einen Dschinn ihren Thron zu sich bringen lässt. Der Thron soll verändert werden, so dass ihn die Königin nicht wiedererkennt. Diese antwortet daraufhin auf die Frage, ob es ihr Thron sei, mit: „Es ist, als ob es derselbe wäre!“16 Das ist ein Beispiel, das die Intelligenz und Scharfsinnigkeit der Königin von Saba zeigt. Im Koran gilt sie als eine einflussreiche weibliche Persönlichkeit.

Nur kurz erwähnt werden im Koran auch die Frau von Moses (28:20), die Frau des Pharaos (28:9) und die Frau von Abū Lahab (111:4). Weiters wird zu Beginn von Sure 58 eine Frau erwähnt, der Unrecht angetan wurde und die sich deswegen bei Gott beschwert hat. Als Antwort darauf wurde folgender Vers offenbart: „Gott hat fürwahr die Worte von derjenigen gehört, die dich wegen ihres Ehegatten anfleht und sich bei Gott beklagt. Und Gott hört, was ihr beiden zu sagen habt: wahrlich, Gott ist allhörend, allsehend.“17 (Koran 1:58)

Darüber hinaus finden die Frauen und Töchter des Propheten Muhammad Erwähnung, insbesondere in Sure 33. Dabei geht es hauptsächlich um Verhaltensnormen, die entweder an die Frauen und Töchter des Propheten direkt gerichtet sind oder eine allgemeine Norm für alle Frauen darstellen. Eine genaue Untersuchung dieser Verse an dieser Stelle würde jedoch den Rahmen dieses Beitrages sprengen.

1 Vgl. Barbara Freyer Stowasser: Women in the Qur'an, Traditions, and Interpretation, New York: Oxford University Press 1994, S. 25; Vgl. Christfried Böttrich/Beate Ego/Friedmann Eissler: Adam und Eva in Judentum, Christentum und Islam (= Judentum, Christentum, Islam), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2011, S. 147.

2 Vgl. B. F. Stowasser 2011, S. 26-27.

3 Muhammad Asad: Die Botschaft des Koran. Übersetzung und Kommentar, Ostfildern: Patmos Verlag 2013, S. 610.

4 Vgl. Benjamin Idriz: Der Koran und die Frauen. Ein Imam erklärt vergessene Seiten des Islam, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2019, S. 80.

5 M. Asad 2013, S. 147.

6 Ebd., S. 437.

7 Ebd.

8 Vgl. Seyyed Hossein Nasr (Ed.): The Study Quran. A New Translation and Commentary, New York: HarperOne 2017, S. 598.

9 Vgl. ebd., S. 589.

10 M. Asad 2013, S. 1077.

11 S. H. Nasr 2017, S. 1391, (Übers. d. Verf.).

12 Vgl. ebd.

13 Vgl. B. F. Stowasser 2011, S. 40-42.

14 Vgl. S. H. Nasr 2017, S. 580.

15 M. Asad 2013, S. 725.

16 Ebd., S. 728.

17 Ebd., S. 1036.

Alameddine, Lina: »The Forgotten Queens of Islam«, in: Al-Raida Journal (2016), S. 61 f.

Kefeli, Agnès: »The Tale of Joseph and Zulaykha on the Volga Frontier: The Struggle for Gender, Religious, and National Identity in Imperial and Postrevolutionary Russia«, in: Slavic Review 70 (2011), S. 373-398.

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Trible, Phyllis/Russell, Letty M.: Hagar, Sarah, and Their Children. Jewish, Christian, and Muslim Perspectives, Louisville Ky.: Westminster John Knox Press 2006.

Wunn, Ina/Selcuk, Mualla (Hg.): Islam, Frauen und Europa. Islamischer Feminismus und Gender Jihad - neue Wege für Musliminnen in Europa? Stuttgart: Kohlhammer 2013.

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