Antimuslimischer Rassismus

Artikel 13.11.2023 Redaktionsteam

Der vorliegende Artikel widmet sich dem antimuslimischen Rassismus. Nach einer allgemeinen Einführung in die Thematik werden verschiedene Begriffe näher erörtert, die sich auf die Diskriminierungserfahrung von MuslimInnen und als muslimisch wahrgenommenen Menschen beziehen. Im Hauptteil werden sowohl die historische Geschichte als auch die Gegenwart des antimuslimischen Rassismus mit Fokus auf Österreich genauer untersucht, gefolgt von einem knappen Fazit.


Einleitung

Seit den tragischen Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York hat der antimuslimische Rassismus in zahlreichen westlich geprägten Ländern, darunter auch Österreich, eine große Welle der Zunahme erfahren. Die schrecklichen Ereignisse lösten eine weltweite Debatte über den islamischen Fundamentalismus aus und begünstigten gleichlaufend die Ausbreitung von Abneigung und Furcht gegenüber MuslimInnen und als muslimisch wahrgenommenen Personen. Rechtspopulistische Parteien und Organisationen nutzten diese Chance, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen, indem sie nun MuslimInnen öffentlich in ein schlechtes Licht rückten und als bedrohliche Kraft gegenüber der gesamten christlich-westlichen Welt darstellten. Rassistische Vorurteile und Stereotypen gegenüber der muslimischen Bevölkerung gewannen an – zuvor in diesem Ausmaß nie dagewesene – Popularität.

Um ein tieferes Verständnis dieser Thematik zu ermöglichen, werden im Folgenden verschiedene Terminologien näher beleuchtet, die geläufig sind, wenn über die Abwertung von MuslimInnen und muslimisch wahrgenommenen Personen berichtet wird.1 Die Fachbegriffe Islamophobie, Islamfeindlichkeit und Muslimfeindlichkeit werden in der öffentlichen Diskussion neben dem Begriff antimuslimischer Rassismus als (vermeintliche) Synonyme verwendet. Obwohl jeder dieser Begriffe eine pauschale Ablehnung des Islams oder von MuslimInnen beschreibt, betonen sie jeweils unterschiedliche Facetten des eigentlichen Problems.

Begriffsdefinitionen: Islamophobie, Islamfeindlichkeit, Muslimfeindlichkeit und Antimuslimischer Rassismus

Islamophobie

Im englischsprachigen Raum hat vor allem der Terminus islamophobia eine breite Akzeptanz erlangt. Die erste, schriftlich belegte Verwendung dieses Begriffes findet sich in Schriften französischer Kolonialbeamter aus dem Jahr 1910.In den öffentlichen Diskurs wurde das Wort Islamophobie jedoch erst nach einem aufsehenerregenden Bericht des britischen Think Tanks Runnymede Trust eingeführt, der im Jahre 1997 den Report Islamophobia – A Challenge For Us All veröffentlichte. In diesem Dokument wird islamophobia verwendet, um die Feindseligkeit gegen den Islam und die damit einhergehenden Angriffe auf sowie Ausgrenzungen von MuslimInnen im öffentlichen Leben zu beschreiben.3 Kritisiert wird der Begriff in erster Linie für seine Endung auf -phobie, da er primär eine emotional begründete, krankhafte Abneigung gegen den Islam suggeriert.4 KritikerInnen dieses Begriffes argumentieren, dass die Verharmlosung von tief verwurzelten Einstellungen als lediglich emotionale Reaktionen äußerst gefährlich sein kann. Sie betonen, dass es nicht ausreicht, antimuslimischen Hass nur auf die Vorurteile Einzelner zu beschränken, ohne die gesamte Gesellschaftsstruktur miteinzubeziehen.5

Islamfeindlichkeit

Unter Islamfeindlichkeit versteht man die generell feindselige Haltung und Ablehnung gegenüber dem Islam und allem, was mit dem Islam assoziiert wird. Dazu zählen auch muslimische Personen und ihre religiösen Rituale und Bräuche. Hierbei tritt der emotionale Aspekt in den Hintergrund. Die Bezeichnung Islamfeindlichkeit stammt aus Studien zu Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF) und legt dadurch eher den Fokus auf die Einstellungen und das Verhalten von einzelnen Personen oder Gruppierungen.6 Auch dieser Begriff wird von diversen WissenschaftlerInnen abgelehnt, weil sie befürchten, dass dadurch der Blick für diskriminierende gesellschaftliche Strukturen und Darstellungen verloren gehe.7

Muslimfeindlichkeit

Der Begriff Muslimfeindlichkeit kommt aus der Extremismusforschung und wurde ursprünglich 2011 in der Deutschen Islam Konferenz (DIK) verwendet.8 Er verweist auf eine negative Haltung gegenüber MuslimInnen im Allgemeinen. Hierbei werden explizit Angehörige des Islams und nicht der Islam als Religion selbst, wie es bei der Islamophobie und der Islamfeindlichkeit der Fall ist, ins Zentrum gerückt. Gemäß einigen BefürworterInnen soll dieser Begriff dahingehend helfen, berechtigte Kritik am Islam von Benachteiligungen und diskriminierenden Äußerungen gegenüber MuslimInnen zu trennen.9 Die deutsche Historikerin und Rassismusforscherin Yasemin Shooman kritisiert diese Bezeichnung jedoch scharf, weil er – im Gegensatz zu antimuslimischem Rassismus – Macht- und Dominanzverhältnisse in der Gesellschaft umfassend ausblende.10

Antimuslimischer Rassismus

Der Begriff antimuslimischer Rassismus beschreibt eine kulturelle Form des Rassismus, die sich gegen MuslimInnen sowie Personen richtet, die als solche wahrgenommen werden. Es spielt dabei keine Rolle, ob sie tatsächlich muslimisch sind oder sich gar als religiös bezeichnen.11 Unter dem Terminus des antimuslimischen Rassismus kommt grundsätzlich die Kritik unterschiedlicher Strategien und Äußerungen zusammen, die auf Prozessen der Rassifizierung, sprich der Konstruktion von MuslimInnen als Andere bzw. Fremde, basieren.12 Hierbei werden MuslimInnen und als MuslimInnen wahrgenommene Individuen entlang bestimmter Vorstellungen von Religion, Kultur und Herkunft bewusst essentialisiert, indem sie von der Mehrheitsgesellschaft („Wir“) getrennt („Sie sind anders als wir“), homogenisiert („Sie sind alle gleich“) und mit wesenhaften (negativen) Attributen („Sie sind halt so“) belegt werden.13 Vermeintliche Unterschiede („Sie sind ganz anders als wir“) werden hervorgehoben, während man Gemeinsamkeiten und Individualität völlig außer Acht lässt. Dies führt dazu, dass sie aufgrund ihrer Differenzen zur Mehrheitsgesellschaft herabgestuft und benachteiligt werden („Sie gehören nicht zu uns“). Folglich kann dieses Phänomen nicht auf eine religionsbezogene Diskriminierung reduziert werden, vielmehr geht es von rassistischer Diskriminierung aus.14 Der Begriff Antimuslimischer Rassismus strebt somit an, alle Dimensionen in den Blick zu nehmen, nicht nur die individuelle, sondern auch die politische, strukturelle, institutionelle sowie die diskursive Ebene.

Geschichte und Gegenwart des antimuslimischen Rassismus

Wie zuvor schon angedeutet, ist der antimuslimische Rassismus kein neues Phänomen. Seine Wurzeln lassen sich bereits bis ins späte 15. und frühe 16. Jahrhundert auf der Iberischen Halbinsel verfolgen.15 Zu jener Zeit wurden MuslimInnen, sowie auch Juden und Jüdinnen, aufgrund ihrer Herkunft, Religion und Kultur als andersartige Minderheiten wahrgenommen. Während der sogenannten Reconquista (arab. al-ʾistirdād) wurden MuslimInnen vor die Wahl zwischen Konversion zum Christentum oder Aussiedlung aus der Iberischen Halbinsel gezwungen.16 Obwohl sich daraufhin eine Vielzahl von MuslimInnen taufen ließ – sie und ihre (christianisierten) Nachkommen waren unter dem Begriff Morisken (span. morisqos) bekannt, wurden sie dennoch als unechte KonvertitInnen denunziert, die weiterhin heimlich den Islam praktizieren würden.17

Es gibt Belege dafür, dass 1526 ein rigoroses Assimilationsprogramm in Granada eingeführt wurde.18 Dieses verlangte von den, teilweise zwangskonvertierten, Morisken, sich wie ChristInnen zu kleiden, verbot explizit die islamische Verhüllung der Frau (ḥiǧāb) sowie die Verwendung der arabischen Schrift und Sprache. Außerdem mussten sie freitags und sonntags stets ihre Pforten geöffnet haben um sicherzustellen, dass sie weder das im Islam verpflichtende Freitagsgebet noch Arbeit am Sonntag verrichten konnten.19 Die Morisken standen somit unter ständiger Beobachtung, Überwachung und Kontrolle.20

Die Diskriminierung, Entwürdigung und Verfolgung von Morisken setzte sich trotz ihrer Konversion zum Christentum fort. Der Glaubenswechsel brachte demgemäß auch keine Besserung für die nachfolgenden Generationen, selbst wenn sie sich als treue und ergebene AnhängerInnen des Christentums betrachteten.21 Dies lag daran, dass sie aufgrund des – durch die Spanische Inquisition eingeführte – protorassistischen Konzepts des limpieza de sangré (Blutreinheit) als unrein bzw. befleckt stigmatisiert wurden. Dieses juristische Konzept grenzte die konvertierten NeuchristInnen von den sogenannten AltchristInnen ab, die frei von muslimischer, jüdischer und andersgläubiger Blutlinie waren. Im Jahr 1571 führte die Eroberung Zyperns durch die Osmanen zu einer Konfrontation mit den christlichen Großmächten, mit Spanien an deren Spitze. Dieses Ereignis war vermutlich einer der bedeutendsten Auslöser für die unmenschlichen Maßnahmen gegen die Morisken, die in weiterer Folge verwirklicht wurden: Versklavung, Zwansarbeit, Kastration, Sterilisation und Verbannung bis hin zum Ertränken.22 In den Jahren 1609 und 1611 wurden schließlich, infolge eines vom damaligen König Philipp III. von Spanien unterzeichneten Edikt, die letzten mehr als 275.000 Morisken aus Spanien ausgewiesen.23

Fazit

Antimuslimischer Rassismus ist weder ein neues noch ein ausschließlich rechtes Phänomen. Es stimmt zwar, dass die öffentlichen Debatten im Zuge der Ereignisse des 11. Septembers 2001 und der Flüchtlingskrise in Europa 2015 einen bedeutenden Einfluss auf die Diffamierung und Stigmatisierung von MuslimInnen hatten. Dennoch weist der antimuslimische Rassismus eine reiche historische Tradition auf, die tief in der Geschichte Europas verwurzelt ist.24 Die negativen Auswirkungen und die daraus resultierenden Konsequenzen des antimuslimischen Rassismus betreffen nicht nur gläubige MuslimInnen, sondern zugleich auch jene, die als muslimisch wahrgenommen werden. Das verzerrte Bild von MuslimInnen, zumeist durch die einseitige Berichterstattung in den Massenmedien verursacht, wird hierbei verwendet, um die Diskriminierung von MuslimInnen zu legitimieren; sie werden als gewalttätig, misogyn, antisemitisch und demokratiefeindlich dargestellt.25 Diese vorurteilsbeladene Einstellung gegenüber MuslimInnen hat verheerende Auswirkungen auf die betroffenen Individuen sowie die Gesellschaft insgesamt, in Form von Diskriminierung und Benachteiligung im Alltags- und Arbeitsleben, sozialer Ausgrenzung, Verletzung der Menschenrechte und schlimmstenfalls in Gestalt körperlicher Gewalt und Hasskriminalität.

Um eine friedliche und inklusive Gesellschaft zu fördern, in der alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Religion oder Überzeugung respektiert und gleich behandelt werden, ist es notwendig, antimuslimischen Rassismus frühzeitig zu erkennen und zu bekämpfen. Dies kann beispielweise durch eine kontinuierliche Bildungs- und Sensibilisierungskampagne erreicht werden, die darauf abzielt, vielfältige Formen des Rassismus und seine Auswirkungen aufzuzeigen und zugleich Vorurteile und Stereotypen abzubauen; oder durch die Unterstützung von Betroffenen von antimuslimischem Rassismus, indem man diese aktiv stärkt und ihnen eine Stimme gibt. Auf diese Weise kann dazu beigetragen werden, ein differenziertes Bild der muslimischen Bevölkerung zu vermitteln.26

 

1 Vgl. vielfalt-mediathek.de: Antimuslimischer Rassismus. Viele Worte für das Gleiche?, https://www.vielfalt-mediathek.de/kurz-erklaert-antimuslimischer-rassismus, abgerufen am 12.01.2022.

2 Vgl. Yasemin Shooman: Antimuslimischer Rassismus – Ursachen und Erscheinungsformen, Düsseldorf: Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V. (IDA) 2016.

3 Vgl. ebd., S. 8 f.

4 Vgl. Iman Attia: »Zum Begriff des antimuslimischen Rassismus«, in: Zülfukar Çetin/Savaş Taş (Hg.), Gespräche über Rassismus – Perspektiven und Widerstände, Berlin: Verlag Yilmaz-Günay 2015, S. 17-30, hier 22 f.

5 Vgl. ebd., S. 23.

6 Vgl. Y. Shooman 2016, S. 9.

7 Vgl. vielfalt-mediathek.de.

8 Vgl. bpb.de: Islamfeindlichkeit, Islamophobie, Islamkritik – ein Wegweiser durch den Begriffsdschungel, https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/180774/islamfeindlichkeit-islamophobie-islamkritik-ein-wegweiser-durch-den-begriffsdschungel/, abgerufen am 22.01.2022.

9 Vgl. ebd.

10 Vgl. Yasemin Shooman: Islamophobie, antimuslimischer Rassismus oder Muslimfeindlichkeit? Kommentar zu der Begriffsdebatte der Deutschen Islam Konferenz, Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung 2011.

11 Vgl. Günter Bressau/Johanna Bröse/Andreas Foitzik/Maria Kechaja/Götz Nordbruch/Jens Ostwaldt/Wiebke Scharathow (Hg.): Pädagogischer Umgang mit Antimuslimischem Rassismus. Ein Beitrag zur Prävention der Radikalisierung von Jugendlichen, Sersheim: Demokratiezentrum Baden-Württemberg 2016, S. 6.

12 bpb.de: Was ist antimuslimischer Rassismus? Islamophobie, Islamfeindlichkeit, Antimuslimischer Rassismus – viele Begriffe für ein Phänomen?, https://www.bpb.de/themen/infodienst/302514/was-ist-antimuslimischer-rassismus/#node-content-title-0, abgerufen am 22.01.2022.

13 Vgl. ebd.

14 Vgl. ebd.

15 Vgl. ebd.

16 Vgl. ebd.

17 Vgl. François Soyer: »Glaube, Kultur und Angst. Antimuslimischer Rassismus im Spanien der Frühen Neuzeit und im Europa des 21. Jahrhunderts – ein Vergleich«, in: Iman Attia/Mariam Popal (Hg.), BeDeutungen dekolonisieren. Spuren von (antimuslimischem) Rassismus, Münster: Unrast Verlag 2018, S. 126-148, hier S. 130 f.

18 Vgl. ebd., S. 131 f.

19 Vgl. ebd.

20 Vgl. bpb.de.

21 Vgl. ebd.

22 Vgl. F. Soyer 2018, S. 138.

23 Vgl. ebd.

24 Vgl. bpb.de.

25 Vgl. ebd.

26 Vgl. multikulti-forum.de: Servicestelle gegen antimuslimischen Rassismus, https://www.multikulti-forum.de/de/angebot/servicestelle-gegen-antimuslimischen-rassismus, abgerufen am 28.01.2022.

Attia, Iman/Häusler, Alexander/Shooman, Yasemin: Antimuslimischer Rassismus am rechten Rand, München: Unrast Verlag 2014.

Shooman, Yasemin: »... weil ihre Kultur so ist«. Narrative des antimuslimischen Rassismus, Bielefeld: transcript Verlag 2014.

Willems, Joachim (Hg.): Religion in der Schule. Pädagogische Praxis zwischen Diskriminierung und Anerkennung, Bielefeld: transcript Verlag 2020.

X

Wir verwenden Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige sind notwendig, während andere uns helfen, diese Website und Ihre Erfahrung zu verbessern.