Halal-Zertifizierung in Österreich

Artikel 15.05.2023 Redaktionsteam

Der vorliegende Artikel befasst sich mit dem Thema der Halal-Zertifizierung in Österreich. Nach einer allgemeinen Einführung in die Thematik werden die islamischen Grundsätze und Vorschriften bezüglich der Halal-Zertifizierung erörtert. Im Hauptteil des Beitrags wird auf die Regulierung, die aktuellen Entwicklungen in Österreich sowie potenzielle Herausforderungen eingegangen, die mit der Zertifizierung von Halal-Produkten verbunden sind. Auf allgemeine Speisevorschriften sowie das Schweinefleischverbot im Islam wird nicht näher eingegangen, dazu stehen gesonderte Beiträge auf islamportal.at zur Verfügung.


Einleitung

Seit einigen Jahren gewinnt die Halal-Zertifizierung in vielen europäischen Ländern, und damit auch in Österreich, zunehmend an Bedeutung. Unzählige der mehr als 740.000 österreichischen MuslimInnen1 legen großen Wert auf die Gewährleistung der Verfügbarkeit halal-zertifizierter Lebensmittel. Die sogenannte Halal-Zertifizierung garantiert, dass ein Produkt den Anforderungen der islamischen Rechtsprechung in Bezug auf die Speisevorschriften entspricht und somit für MuslimInnen als konsumierbar gilt. Allerdings war die Einhaltung des erforderlichen Qualitätsstandards durch die ProduzentInnen von Halal-Nahrungsmitteln in der Vergangenheit nicht immer vollständig transparent und eindeutig nachprüfbar. Aus diesen und anderen diversen Gründen hat sich daher das Hauptaugenmerk der theologischen Fachgremien der IGGÖ darauf gerichtet, einheitliche Richtlinien für die Halal-Zertifizierung in Österreich zu erarbeiten. Im Folgenden wird nun auf die islamischen Vorschriften der Halal-Zertifizierung im Allgemeinen sowie ihre Regulierung und die diesbezüglichen aktuellen Entwicklungen in Österreich eingegangen.

Kontext, Kriterien und Bedeutung der Halal-Zertifizierung

Der Terminus halal (ḥalāl) bedeutet im Arabischen schlichtweg erlaubt und bezieht sich auf alle Dinge sowie Handlungen, die nach der islamischen Normenlehre zulässig sind.2 Der Begriff halal wird vorwiegend im Zusammenhang mit Lebensmitteln verwendet und erstreckt sich auf alle Nahrungsmittel, die gemäß islamischen Speisevorschriften für den Verzehr erlaubt sind. Die Speisevorschriften sind fest in den Hauptquellen des Islams, dem Koran und der Sunnah, verankert. Im islamischen Kontext herrscht das Grundprinzip, dass alle Lebensmittel erlaubt sind, außer denjenigen, die ausdrücklich als verboten (ḥarām) definiert wurden.3 Als verboten gelten unter anderem das Schwein und dessen Nebenprodukte, Raubtiere mit Fangzähnen und Krallen, Blut, Kadaver (mayta), jede Form von Rauschmitteln wie Alkohol oder Drogen und Tiere, die einer anderen Gottheit geweiht sind als Allah selbst.4 Folglich kennt das islamische Recht genaue Vorschriften darüber, welche Nahrungsmittel nun erlaubt und welche untersagt sind. Die Einhaltung der islamischen Speisevorschriften stellt für MuslimInnen eine religiöse Pflicht dar und ist zugleich ein Ausdruck ihres Gottesbewusstseins (taqwā).

Zur Einhaltung der religiösen Speisevorschriften wird die Halal-Zertifizierung als ein äußerst wichtiges Instrument zu Hilfe gezogen. Die Halal-Zertifizierung an sich ist jedoch ein sehr komplexes und aufwändiges Verfahren. Dies liegt daran, dass sich die Ernährungsvorschriften im Islam nicht nur auf die Nahrungsmittel selbst beziehen, sondern auch auf die Art und Weise, wie sie zubereitet werden. Halal-zertifizierte Produkte dürfen beispielsweise weder Bestandteile enthalten, die gemäß islamischen Vorschriften als haram gelten, noch mit diesen in Kontakt treten.5 Das Herstellungsverfahren eines Produkts muss den Regelungen des Islams entsprechen.6 Die Zertifizierung umfasst daher den gesamten Produktionsprozess – von der Auswahl bzw. Herstellung der Rohstoffe und Materialien, der Vor-Ort-Inspektion, der Verarbeitung und Verpackung, über die Qualitätskontrolle und die Lagerung bis hin zum Vertrieb der Endprodukte. Darüber hinaus müssen auch die Hygienestandards und Arbeitsbedingungen stets den vorgegebenen Halal-Richtlinien entsprechen.7 In der Regel werden die Zertifizierungsprozesse von religiösen Organisationen und Einrichtungen oder teilweise auch von privaten Unternehmen durchgeführt, die sich auf die Überprüfung von Produkten und Dienstleistungen bezüglich der Einhaltung der Halal-Standards spezialisiert haben. Lediglich nach erfolgreicher Überprüfung durch einen islamischen Gelehrten samt Gutachten wird das Produkt schließlich mit einem Halal-Zertifikat ausgezeichnet. Ziel der Zertifizierung ist es sicherzustellen, dass ein Produkt den religiösen Vorschriften des Islams entspricht und auf die Bedürfnisse der muslimischen VerbraucherInnen zugeschnitten ist. An dieser Stelle sei angemerkt, dass keine für alle MuslimInnen gültigen Listen von Lebensmitteln, die explizit als halal gelten, existieren, da die genauen Abläufe der Halal-Zertifizierung je nach Land, Region, Rechtsschule, Organisation und Produkt variieren können.8

Halal-Zertifizierung in Österreich

In Österreich gibt es zurzeit mehrere Zertifizierungsstellen, die Halal-Zertifizierungen durchführen. Dazu gehören unter anderem die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), die Halal Quality Control Austria (HQC) und die Islamic Information Documentation Certification GmbH (IIDC).9 Während die IGGÖ eine staatlich anerkannte religiöse Körperschaft darstellt, sind die HQC und IIDC private Unternehmen, die jedoch beide als akkreditierte Zertifizierungsstellen in Österreich agieren dürfen. Die IIDC folgt seit dem Jahre 2017 dem UAE Standard S.2055 aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, welcher neben den malaysischen und indonesischen Standards zu den strengsten und umfangreichsten weltweit gehört.10 Die IIDC wird zudem fast überall auf der Welt, außer in Indonesien, anerkannt. Die IIDC war außerdem aktiv an der Entstehung des einzigen Regelwerks für Halal-Lebensmittel (ONR 142000) in Österreich beteiligt. Sie ist die weitverbreitetste Zertifizierungsstelle in Österreich mit über 100 zertifizierten nationalen Unternehmen.11 Die HQC ist ein Halal-Zertifizierungsorgan aus den Niederlanden, welches seit Sommer 2017 auch in Wien ansässig ist. Die Zertifizierung erfolgt nach den Richtlinien des indonesischen Standards und dem Halal Assurance System (HAS) 23000, das weltweit als Grundlage für Zertifizierungsstellen verwendet wird. Diese Organisation wird in Thailand, Malaysia und Sri Lanka anerkannt, allerdings nicht in den Vereinigten Arabischen Emiraten.12

Die IGGÖ ist seit ihrer Gründung im Jahre 1979 für die offizielle Verwaltung der religiösen Belange der in Österreich lebenden MuslimInnen zuständig. Nach Angaben der IGGÖ versteht sie sich selbst, aufgrund ihres Status als staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft, nicht als Gewerbe. Die Halal-Zertifizierung erfolgt demnach ehrenamtlich und nicht profitorientiert.13 Ab 2019 etablierte sich die IGGÖ als Akkreditierungsstelle für Halal-ZertifiziererInnen bzw. Zertifizierungsinstitute. Die IGGÖ hat indes eigene einheitliche Richtlinien entwickelt, die ihre Wirksamkeit durch den Beschluss des Obersten Rates im September 2022 erlangten. Diese Halal-Richtlinien basieren zwar auf den islamischen Speisegesetzen, werden aber international nicht anerkannt.14 Um ihre internationale Akzeptanz und Anerkennung als Akkreditierungsstelle dennoch zu erhöhen, hat sich das Halal Department der IGGÖ in den letzten Jahren bemüht, Kontakte mit Instituten und diplomatischen Vertretungen von Ländern wie Indonesien, Bosnien-Herzegowina, der Türkei oder Saudi-Arabien zu knüpfen. Des Weiteren ist eine Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskammer Österreich geplant, um als Partner auf dem internationalen Halal-Markt stärker präsent zu sein.15

Die IGGÖ hat – in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) und Tierschutzorganisationen – einen speziell auf die Bedürfnisse von Unternehmen und Privatpersonen, die eine Halal-Zertifizierung anstreben, zugeschnittenen Lehrgang entwickelt. Dieser Kurs umfasst theologische Grundlagen und Halal-Richtlinien, allgemeine Kenntnisse im Bereich der Tierschutzgesetzgebung und Tierhaltung, Hygienegrundlagen sowie Einblicke in Akkreditierungs- und Zertifizierungsprozesse.16 Erstmalig wurde diese Schulung im Juni 2022 von diversen FachexpertInnen angeboten. Die positive Absolvierung des Lehrgangs ist eine Voraussetzung für die Vergabe einer Halal-Zertifizierung und ist zugleich verpflichtend für alle, die eine Genehmigung für Schächtungen anlässlich des islamischen Opferfestes (ʿīdu l-aḍḥā) beantragen. Bei Nichteinhaltung der im Lehrgang vermittelten Richtlinien wird die Berechtigung von der IGGÖ unverzüglich entzogen.17

Vor ein paar Wochen ist ein neues Video aus der Reihe Wort zum Freitag von IGGÖ-Präsident Ümit Vural erschienen, in welchem er verkündet, dass das Halal Department der IGGÖ nach langen Vorbereitungen neue einheitliche Kriterien für die Zertifizierungen von Halal-Produkten festgelegt hat. Zudem wird die Aufgabe der Halal-Zertifizierung gänzlich an die Kultusgemeinden übertragen. Die VertreterInnen der Kultusgemeinden werden mit folgenden Worten Vurals direkt angesprochen: „Und ich möchte die Gelegenheit nutzen, um die Vertreter und Vertreterinnen unserer elf Kultusgemeinden einzuladen, dieses Angebot tatsächlich in Anspruch zu nehmen und auch so einen Beitrag zur Versorgung österreichischer Musliminnen und Muslime mit Halal-Produkten und Lebensmittel zu leisten.“18 Aktuell gibt es noch keine offiziellen Informationen oder Presseaussendungen zu diesem öffentlichen Statement.

Herausforderungen und Kontroversen

Während die Halal-Zertifizierung in Österreich als notwendig erachtet wird, um den Bedürfnissen der muslimischen KonsumentInnen gerecht zu werden, gibt es durchaus diverse Herausforderungen und Kontroversen im Zusammenhang mit ihrer Umsetzung. Die wohl größte Herausforderung besteht darin, dass der Begriff halal in der EU lebensmittelrechtlich nicht geschützt ist.19 Es gibt somit keine allgemeingültigen Standards für die Halal-Zertifizierung. Theoretisch kann jeder/e Halal-ZertifiziererIn willkürlich eigene Standards festlegen. Es ist für MuslimInnen oftmals schwierig zu erkennen, wie sich die verschiedenen Halal-Siegel voneinander unterscheiden und welche spezifischen Kriterien ihnen zugrunde liegen, da jedes Siegel seine eigenen Richtlinien besitzt.20 Eine weitere Problematik ist die Verwendung von Halal-Zertifizierungen als Marketinginstrument, um bewusst höhere Preise zu erzielen. Dies hat in jüngster Zeit eine rasche Zunahme von Unternehmen zur Folge gehabt, die Halal-Zertifikate ohne angemessene Kontrollen erhalten haben. In mehreren Fällen haben derartige Unternehmen sogar gefälschte Zertifikate verwendet, um den Anschein zu erwecken, dass ihre Lebensmittel halal-zertifiziert seien. Diese illegale Verfahrensweise hat das Vertrauen der KonsumentInnen in die Glaubwürdigkeit der Halal-Zertifizierung massiv geschädigt.21 Es existieren auch Debatten bezüglich der Frage, ob die Halal-Zertifizierung eine mögliche Handelsbarriere im internationalen Handel darstellt, da sie möglicherweise den Austausch von nicht-zertifizierten Produkten erheblich erschwert. Insgesamt gibt es noch viele Unklarheiten und Fragen im Zusammenhang mit der Halal-Zertifizierung, die zukünftig angegangen werden müssen, um die Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen und authentischen Halal-Produkten für MuslimInnen zu gewährleisten.

Fazit

Die Halal-Zertifizierung in Österreich ermöglicht es, qualitativ hochwertige Produkte herzustellen, die grundlegend den islamischen Speisevorschriften entsprechen und somit die Bedürfnisse der muslimischen KonsumentInnen erfüllen. Obwohl die IGGÖ zurzeit die Hauptverantwortung für die Halal-Zertifizierung in Österreich trägt, existieren auch andere Zertifizierungsstellen, die sich intensiv mit der Überwachung und Zertifizierung von Halal-Produkten befassen. Nichtsdestotrotz gibt es auch Hindernisse und Kontroversen im Zusammenhang mit der Halal-Zertifizierung, wie zum Beispiel Fragen zur Glaubwürdigkeit und fehlenden Transparenz sowie zu den potenziellen Auswirkungen auf den internationalen Handel.22 Zusammenfassend wird die Halal-Zertifizierung in Österreich weiterhin ein wichtiges Thema bleiben und es werden höchstwahrscheinlich bald weitere Entwicklungen verlautbart, um den Bedürfnissen der muslimischen Gemeinschaft bestmöglich gerecht zu werden.

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